Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

— 154 — 
vor unter Reichsvormundschaft und was auch geschah, um dieses 
Verhältnis zu mildern, insbesondere auch die Sicherungen, die 
man dem reichsländischen Stimmrecht im Bundesrat gewährte, 
reichen nicht hin, um dieses Verhältnis im Grunde zu ändern und 
dem Reichsland das Maß von Selbständigkeit zu geben, in dem 
es seine deutschen Nachbarländer sich betätigen sieht. Das Ge- 
fühl, ein Nebenland, eine Nebensache des Reichs zu sein, wird 
man deshalb im Kreise der eigentlichen Elsaß - Lothringer 
nicht los. 
Die überwiegenden deutschen Elemente, auf deren Stammes- 
art und gutdeutsche Gesinnung man sich in offiziellen deutschen 
Kundgebungen gegenüber der französischen Propaganda für Re- 
annexion mit Recht zu stützen pflegt, müssen sich fragen, ob ein 
hinreichender Grund dafür besteht, daß sie trotz ihrer anerkannten 
Vollwertigkeit im Verhältnis zum Reich die Form entbehren, in 
die alle sonstigen Deutschen ihr Verhältnis zum Reich staats- 
rechtlich geprägt sehen, nämlich die Form der bundesstaatlichen 
Autonomie. Der Elsaß-Lothringer hat keinen Heimatsstaat, der 
seinem Heimatgefühl entspräche. 
Daß dieser offenbare Mangel selbst in diesem Kriege — von 
geringen Ausnahmen abgesehen — nicht lähmend auf die Wehr- 
freudigkeit der Elsaß-Lothringer gewirkt hat, ist eine wertvolle 
Tatsache, die nicht nur gegen den raublustigen Feind, sondern 
auch und vor allem zugunsten der Einschätzung der politischen 
Vollwertigkeit des elsaß-lothringischen Stammes verwertet zu wer- 
den verdient. Der Elsaß-Lothringer kämpft in diesem Kriege für 
das Deutsche Reich und Volk, er kämpft aber auch für seinen 
Staat, er erkämpft ihn sich. Und wie die Motive zum Entwurf 
eines preußischen Landtagswahlgesetzes als einzigen Grund für die 
Zubilligung des allgemeinen und gleichen Wahlrechtes die Er- 
kenntnis der politischen Fähigkeit des Volkes aus seinem Ver- 
halten im Kriege geschöpft haben, so wäre es billig, auch die 
Staatsfähigkeit des elsaß-lothringischen Volkes anzuerkennen und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.