Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

— 1585 — 
fechtbaren, nämlich in folgender Weise geschehen: 
Das Reich müßte, wenn es die Bildung eines Staates Elsaß- 
Lothringen geschehen lassen wollte, den Zustand vorübergehend 
wiederherstellen, der nach dem Einverleibungsgesetz vom 9. Juni 
1871 geschaffen war, das vorerst nur die Zugehörigkeit zum Reich 
bestimmte, die rechtliche Gestaltung der Herrschaft aber noch offen 
ließ. Die Verfassung vom Jahre 1911 müßte also mit dem aus- 
drücklichen Hinweis auf den Zweck der Selbstkonstituierung des 
Reichslandes als Staat aufgehoben werden. Ebenso müßten auch 
alle von früher her noch bestehenden, auf die Verfassung des 
Reichslandes bezüglichen reichsgesetzliehen Normen aufgehoben 
und es müßte auch die Geltung der Reichsverfassung in Elsaß- 
Lothringen suspendiert werden. Es blieben alsdann nur noch 
bestehen die völkerrechtliche Verfügungsmacht des Reiches, welche 
durch den Frankfurter Frieden begründet wurde und die allge- 
meine staatsrechtliche Einverleibungserklärung, welche durch das 
Gesetz vom 9. Juni 1871 ausgesprochen ist. Durch den mit der 
Aufhebung der Verfassung von 1911 zu verbindenden Hinweis 
auf die Ermächtigung zur Selbstkonstituierung des Reichslandes 
als Staat würde die mit dem Einverieibungsgesetz vom 9. Juni 
1871 begründete Herrschaft des Reiches staatsrechtlich suspen- 
diert und auf den Grad von Unbestimmtheit zurückgeführt, daß 
die im Land vorhandenen Kräfte nunmehr in der Lage wären, 
über ihre Selbstkonstituierung als Staat zu verfügen. 
Solche Vorgänge sind im Leben der Bundesstaaten keine Neu- 
heit. Die vereinigten Staaten von Amerika haben wiederholt 
durch sog. Enabling Acts in sich neue Staaten entstehen lassen. 
Auch die Gliederung Brasiliens in einen Bundesstaat im Jahre 
1891 erfolgte durch eine vom Gesamtstaat geduldete Selbstkon- 
stituierung der Einzelstaaten?. Ein gleiches vollzog sich soeben 
unter anderen, kriegerischen Verhältnissen mit der Ukraine, die 
sich halb mit halb gegen den Willen der schwankenden russischen 
: Vgl. G. JELEINEK, Allgemeine Staatslehre. 3. Aufl. S. 275 f. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.