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fechtbaren, nämlich in folgender Weise geschehen:
Das Reich müßte, wenn es die Bildung eines Staates Elsaß-
Lothringen geschehen lassen wollte, den Zustand vorübergehend
wiederherstellen, der nach dem Einverleibungsgesetz vom 9. Juni
1871 geschaffen war, das vorerst nur die Zugehörigkeit zum Reich
bestimmte, die rechtliche Gestaltung der Herrschaft aber noch offen
ließ. Die Verfassung vom Jahre 1911 müßte also mit dem aus-
drücklichen Hinweis auf den Zweck der Selbstkonstituierung des
Reichslandes als Staat aufgehoben werden. Ebenso müßten auch
alle von früher her noch bestehenden, auf die Verfassung des
Reichslandes bezüglichen reichsgesetzliehen Normen aufgehoben
und es müßte auch die Geltung der Reichsverfassung in Elsaß-
Lothringen suspendiert werden. Es blieben alsdann nur noch
bestehen die völkerrechtliche Verfügungsmacht des Reiches, welche
durch den Frankfurter Frieden begründet wurde und die allge-
meine staatsrechtliche Einverleibungserklärung, welche durch das
Gesetz vom 9. Juni 1871 ausgesprochen ist. Durch den mit der
Aufhebung der Verfassung von 1911 zu verbindenden Hinweis
auf die Ermächtigung zur Selbstkonstituierung des Reichslandes
als Staat würde die mit dem Einverieibungsgesetz vom 9. Juni
1871 begründete Herrschaft des Reiches staatsrechtlich suspen-
diert und auf den Grad von Unbestimmtheit zurückgeführt, daß
die im Land vorhandenen Kräfte nunmehr in der Lage wären,
über ihre Selbstkonstituierung als Staat zu verfügen.
Solche Vorgänge sind im Leben der Bundesstaaten keine Neu-
heit. Die vereinigten Staaten von Amerika haben wiederholt
durch sog. Enabling Acts in sich neue Staaten entstehen lassen.
Auch die Gliederung Brasiliens in einen Bundesstaat im Jahre
1891 erfolgte durch eine vom Gesamtstaat geduldete Selbstkon-
stituierung der Einzelstaaten?. Ein gleiches vollzog sich soeben
unter anderen, kriegerischen Verhältnissen mit der Ukraine, die
sich halb mit halb gegen den Willen der schwankenden russischen
: Vgl. G. JELEINEK, Allgemeine Staatslehre. 3. Aufl. S. 275 f.