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anerkannte Institution des Seekriegsrechts existierte, praktische Be-
deutung gehabt. Im Jahre 1804 hat sich ein schnell zu Berühmtheit
gelangtes Prisengerichtsurteil des englischen Prisenrichters Sir
William Scott (Lord Stowell) auf den Standpunkt gestellt, daß der
Widerstand eines Handelsschiffs gegen ein feindliches Schiff, wel-
ches das Handelsschiff aufbringen will, an sich nicht rechts wid-
rig sei, und dieses Urteil ist von da ab von den englischen und
von den amerikanischen Prisengerichten als maßgebend betrachtet
worden‘. Seitdem aber durch Ziffer 1 der „Pariser Seerechts-
deklaration* vom 16. April 1856 die Kaperei abgeschafft worden
war („La course est et demeure abolie“*), verlor sich das Interesse
für die Frage allmählich; denn da der Widerstand eines wenn
auch bewaffneten Handelsschiffs, der gegen ein „Kaperschiff“, d. h.
ein zur Teilnahme am Seekrieg legitimiertes feindliches Privat-
schiff in vielen Fällen hatte Erfolg versprechen können, einem
modernen Kriegsschiff gegenüber von vornherein für aussichtslos
gehalten wurde, so glaubte man lange, daß die Frage für einen
neuen Seekrieg ohne praktische Wichtigkeit geworden sei, und
hat sie weder auf den Haager Konferenzen noch auf der Londoner
Seekriegskonferenz von 1908/9 geregelt oder auch nur eingehen-
der diskutiert®. Dagegen wurden auf der II. Haager Konferenz
genaue Bestimmungen darüber getroffen®, unter welchen Voraus-
* Es handelt sich um das vielzitierte Urteil im Falle des Schiffes „The
Catharına Elizabeth“ vom 12. Juni 1804; der entscheidende Passus des
Urteils ist abgedruckt von OPPKNHEIM a. a. O. S. 154; vgl. auch TRIEPEL
a. a O. S. 382 und 402. — Wie TRIEPEL hervorhebt, geht übrigens aus
dem Text des Urteils nicht klar hervor, ob das feindliche Schiff ein eigent-
liches Kriegsschiff oder nur ein „Kaperschiff“ war.
5 Wie die Note der österreichisch-ungarischen Regierung an die Ver-
einigten Staaten vom 5. März 1917 hervorhebt, fiel bei den Verhandlungen
der II. Haager Konferenz nur gelegentlich eine hierher gehörige Bemer-
kung; diese, obwohl von einem englischen Marineoffizier getan, nahm als
selbstverständlich an, daß Handelsschiffe unbewaffnet seien (darin lag, daß
ein Widerstand der Handelsschiffe praktisch nicht in Betracht komme). Vgl.
Z. f. Völkerr. Bd. X S. 430.
6 Im 7. Abkommen vom 18. Oktober 1907,
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