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die Unterseeboote zur Schädigung des feindlichen Seehandels an-
wenden können oder anwenden müssen". England und die an-
deren Ententemächte haben sich auf den Standpunkt gestellt, daß
den Handelsschiffen ein solches Widerstandsrecht juristisch zu-
komme. Deutschland mit den übrigen Staaten des Vierbundes
vertritt die entgegengesetzte Anschauung. Der Gegensatz hat sich
im Laufe des Krieges verschärft, indem England die allgemeine
Bewaffnung seiner Handelsschiffe anordnete und großenteils
durchführte und seine Handelsschiffe geradezu zum Angriff (nicht
mehr bloß zur Verteidigung) gegen deutsche U-Boote aufforderte,
andrerseits Deutschland sich in seiner Rechtsauffassung nicht be-
irren ließ!? (wenn es auch praktisch aus dieser nicht alle
Konzequenzen gezogen hat).
Die Frage, ob Handelsschiffe zum Angriff auf feindliche
Kriegsschiffe ein Recht haben, braucht hier nicht gesondert be-
handelt zu werden; sie wurde vor dem Krieg von der in der
Theorie herrschenden Meinung, auch auf englischer Seite, ent-
schieden verneint, und sie beantwortet sich juristisch von selbst,
11 Natürlich nur, wie nochmals betont sei, außerhalb des durch
die deutsche Erklärung vom 31. Januar 1917 abgegrenzten Sperrgebietes;
innerhalb desselben ist, wie bereits erwähnt, die rücksichtslose Bekämp-
fung der feindlichen wie auch der neutralen Handelsschiffe schon auf Grund
von anderen Völkerrechtsregeln gestattet, die für die allgemeine Frage des
Widerstandsrechts der feindlichen Handelsschiffe nicht in Betracht kommen;
die deutsche Regierung hat denn auch bei der Verkündung dieser Seesperre
auf die Frage des Widerstandsrechts der Handelsschiffe nicht Bezug ge-
nommen. — Ebenso bleibt im folgenden die Frage unerörtert, wie weit die
Berechtigung und die Absicht gegen die zahllosen Völkerrechtsbrüche der
Ententemächte Repressalien zu üben, die allgemeine Kampfesweise
der Unterseeboote beeinflußt hat und nach Völkerrecht beeinflussen
durfte. Vgl. darüber besonders die von mir angeregte Untersuchung von
OÖ. v. ALVENSLEBEN, „Unterseebootkrieg und Völkerrecht“ S. 39 ff.
ı2 Hierfür ist insbesondere auch die Verhängung der Todesstrafe über
den englischen Kapitän Fryatt beweisend, der als Führer eines unbewaff-
neten englischen Handelsschiffse heimtückisch ein deutsches Unterseeboot
angegriffen (nämlich zu rammen versucht) hatte.