— 168 —
tatsächlicher Beziehung indessen total verändert worden, und hat
zugleich die Rechtsfrage eine eigentümliche Wandlung und Zu-
spitzung erfahren. Während des Weltkrieges haben zwar auch
Kreuzer und Hilfskreuzer sich insbesondere auf deutscher Seite
an dem Kampf gegen die feindliche Handelsflotte bedeutsam be-
teiligt, die große Mehrzahl der dem Feinde durch Zerstörung oder
Erbeutung weggenommenen Handelsschiffe aber ist ein Opfer der
Unterseeboote und daneben auch der Torpedoboote geworden. Ge-
rade gegenüber den letztgenannten beiden Kriegsschiffgattungen
und vor allem gegenüber den Unterseebooten wird die Frage nach
dem Verteidigungsrecht der feindlichen Handelsschiffe von ent-
scheidender Bedeutung, und zugleich läßt sich hier der Ein-
fluß des Fortsehritts der Technik auf die Ent-
wicklung und Gestaltung des Seekriegsrechts
vortrefflich illustrieren. Unterseeboote wie Torpedo-
boote sind nämlich, wenn sie von der ihnen
eigentümlichen Kampfesweise, für welchesie
gebaut sind, Gebraueh machen, jedem feind-
lichen Handelsschiff weit überlegen; das
Unterseeboot kann dem feindlichen Handelsschiff mit Leichtigkeit
den vernichtenden Torpedoschuß beibringen, ohne daß letzteres
von dem Unterseeboot überhaupt irgend etwas gesehen hat, und
zugleich ist die Bauart der Handelsschiffe eine solche, daß regel-
mäßig ein einziger Torpedotreffer unbedingt tödlich ist. Das Tor-
pedoboot aber bietet, wenn es mit voller Geschwindigkeit heran-
eilt, für die naturgemäß weniger geübte Geschützbedienung, die
sich an Bord eines bewaffneten Handelsschifis befinden mag, ein
so schwierig zu treffendes Ziel, daß es regelmäßig das Handels-
schiff vernichtend getroffen haben wird, ehe dieses nur richtig an
eine Verteidigung denken kann. Selbst für ein starkes Panzer-
schiff ist ja bekanntlich beim Kampf mit einem modernen Tor-
pedoboot der Ausgang nicht sicher, und gar der Kampf gegen
’* Man denke z.B. an die kühne Versenkung des englischen Panzer-
schiffs „Goliath“ durch das osmanische Torpedoboot „Muawenet-i-millije*.