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in gewissen Fällen, namentlich wenn die Einbringung des be-
schlagnahmten Schiffes in einen eignen Hafen nicht tunlich er-
scheint, nach Ausbootung von Passagieren und Mannschaften seine
Versenkung. Visitation und Beschlagnahme können nun natür-
licherweise vom Torpedoboot nicht in scharfer Fahrt, vom Unter-
seeboot nicht in getauchtem Zustand vorgenommen werden; viel-
mehr beide müssen (und zwar, das Unterseeboot über Wasser
fahrend) nahe an das Handelsschiff herankommen und während
der Visitation ziemlich still liegen; beide legen also gewisserma-
Gen, wenn sie nach den bisherigen völkerrechtlichen Regeln ver-
fahren, ihre hauptsächlichsten Schutzwaffen (Ge-
schwindigkeit, bzw. Unsichtbarkeit und schützende Wasserdecke)
ab; und selbst ihre gefährlichste Angriffswaffe, das Torpedo, ver-
mögen sie aus technischen Gründen in solcher Stellung gewöhn-
lich nicht sofort zu gebrauchen. Sie sind also während der Visi-
tation momentan schutzlos und beinahe auch wehrlos; und wenn
nun etwa plötzlich das bis dahin sich friedlich verhaltende Han-
delsschiff mit Geschützfeuer oder selbst nur mit einem Rammver-
such zum Angriff vorgeht, so hat es sehr gute Aussicht auf Er-
folg, namentlich gegenüber dem schwerfälligeren Unterseeboot. Ja,
für das Unterseeboot ist schon der Versuch, das Handelsschiff
zum Anhalten zu bringen, insofern nicht ohne Gefahr, als das
Handelsschiff durch Eröffnung von Geschützfeuer (auch „bloß zu
Verteidigungszwecken“) dem aufgetauchten Unterseeboot sehr
leicht gefährlich werden kann. Bei dieser Sachlage liegt es auf
der Hand, daß insbesondere für das Unterseeboot eine Befolgung
der bisher üblichen völkerrechtlichen Regeln bei dem Verfah-
ren gegen feindliche Handelsschiffe praktisch nur möglich ist,
wenn den Handelsschiffen ein Recht zur Verteidigung nicht zu-
steht, das Unterseeboot also mit der Gefahr eines solchen Wider-
stands oder gar eines heimtückischen Angriffs nicht zu rechnen
braucht!%. Die Frage des Widerstandsrechts gewinnt damit ent-
15 Wird den Handelsschiffen von ihrer eigenen Regierung