Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

Theorie herrschenden Meinung wie auch der positiven Gesetzge- 
bung der meisten Staaten widerspricht. Die Meinung OPPEN- 
HEIMs, man müsse die Besatzung der Handelsschiffe als „poten- 
tielle Kombattanten“ auffassen, ist von TRIEPEL wie sogar von 
WEHBERG überzeugend widerlegt worden; insbesondere haben 
beide den Hinweis OPPENHEIMs auf Art. 6 des 11. Haager Ab- 
kommens durch den Nachweis entkräftet, daß dıe Tatsache der 
drohenden Gefangennahme allein kein Recht auf Verteidigung gibt; 
denn wenn z. B. bei Kriegsausbruch feindliche aber noch nicht in 
die feindliche Streitmacht eingereihte Privatpersonen gefangen ge- 
nommen werden sollen, so kommt ihnen unzweifelhaft nach Völker- 
recht kein Recht zum Widerstande zu“. Damit ist das ganze 
zweite Hauptargument OPPENHEIMs erledigt. 
Wichtiger erscheint das erste, wonach die Ausübung des Visi- 
tationsrechts gegenüber feindlichen Handelsschiffen nur eine Pflicht- 
erfüllung darstelle und bloß gegenüber neutralen auch die Ausübung 
eines wirklichen „Rechtes“ bedeute, sowie daß die Ausübung des See- 
beuterechts gegen feindliche Handelsschiffe nur ein (allerdings völ- 
kerrechtlich erlaubter) Akt der Feindseligkeit sei. Es kann hier zuge- 
geben werden, daß die Ausübung des Anhalte- und Durchsuchungs- 
rechts gegenüber feindliehen und gegenüber neutralen Handels- 
schiffen juristisch nicht in jeder Hinsicht gleich zu beurteilen ist ®. 
Aber darauf kommt es nicht an. Denn das gesamte Verfahren 
bei der Aufbringung und Einziehung des feindlichen Handels- 
schiffes ist, von der ersten Aufforderung zum Anhalten an bis zum 
Spruch des Prisengerichts, ein vom Völkerrecht genau geregeltes 
Verfahren *, welches alle Merkmale eines rechtlichen Verfahrens 
24 Vgl. TRIEPEL S. 402—404, WEHBERG S. 283 Anm. 1. — Der Ver- 
gleich mit der „levee en masse“ könnte nur dann herangezogen werden, 
wenn feststünde, daß die Besatzung der Handelsschiffe ein Recht zum 
Widerstande hat; dieses Recht ist aber gerade erst zu beweisen. 
:5 Vgl. TRIEPEL S. 399. 
6 Die im folgenden erörterten Punkte haben m.E. bei TRIEPEL noch nicht 
genügende Berücksichtigung gefunden; gut, aber nicht erschöpfend ist 
die bereits früher zitierte Untersuchung von O. v. ALVENSLEBEN S. 52. 
 
	        
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