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infolge des Verhaltens der feindlichen Regierungen, jedes feindliche
Handelsschiff für ein deutsches U-Boot grundsätzlich der Absicht einer
völkerrechtswidrigen Verteidigung (bzw. eines „noch völkerrechts-
widrigeren“ Angriffs) dringend verdächtig, und es ist dadurch zum
guten Recht der U-Boote geworden, auch außerhalb des neuen
Sperrgebietes grundsätzlich die feindlichen Handelsschiffe ohne
Anhaltung und Warnung zu torpedieren. Wenn das trotz-
demin der Regelnicht geschehen ist, so ist dies
nur derMenschlichkeit der deutschen Regierung
undihrerÜ-Bootskommandanten zu danken, die
weit überihre völkerrechtlichen Verpflichtun-
gen hinaus denForderungen derHumanitätRech-
nung trugen, selbst wenn damit eine erhöhte Ge-
fähbrdung ihrer U-Boote verbunden war°®®.
Zu diesen Erwägungen kommt nun aber bezüglich der mit.
Geschützen bewaffneten feindlichen Handelsschiffe noch ein be-
sonderer Gesichtspunkt hinzu. Das moderne Völkerrecht kennt
nur „Kriegsschiffe“, d. h. in bestimmter, formell völkerrechtlich
geordneter Weise in die organisierte Seestreitmacht eingereihte
Fahrzeuge, und Nichtkriegsschiffe; eine Mittelsorte gibt es seit
Abschaffung der Kaperei nicht mehr?” (Versuche, gewissen Hilfs-
fahrzeugen der Kriegsflotte in dieser Richtung eine besondere
völkerrechtliche Stellung zu verschaffen, haben bisher zu keinem
Erfolg geführt). Unmöglich ist insbesondere eine Mittelgruppe,
die bald als friedliches Handelsschiff, mit allen dessen Vorrechten
36 Ws ist vielleicht nicht überflüssig, hier nochmals ausdrücklich dar-
auf hinzuweisen, daß auch bei Ankündigung der verschärften Seekriegs-
führung innerhalb des Gebietes der „Seesperre“ vom 1. Februar 1917 die
deutsche Regierung nicht auf die Nichtexistenz eines Widerstandsrechts
der feindlichen Handelsschiffe und das im Text geschilderte Vorgehen der
Ententemächte und ihrer Schiffe abgestellt hat; vielmehr ergibt sich die
Rechtfertigung der neuen „Seesperre“ bereits aus anderen Gesichtspunkten.
3” Vgl. hiezu namentlich auch den Aufsatz „Das bewaffnete Kauffahrtei-
schiff“ im „Nauticus“-Jahrbuch von 1914 8. 265 ff.