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Vielmehr liegt dem Art. 1 daran, seinerseits den damals gültigen
Umfang des Reichsgebietes zu umschreiben, wie es für den Stand
nach dem Frankfurter Frieden in $ 1 des Reichsgesetzes vom
9. Juni 1871 und $ 2 des Reichsgesetzes vom 25. Juni 1873, hier
sogar mit besonderer erläuternder Wirkung für Art. 1 RV., im
Reichsgesetz vom 15. Dezember 1890 wegen Helgolands und in
den verschiedenen Grenzberichtigungsgesetzen gemäß ihrer Veran-
lassung ergänzungsweise geschieht. Art. 1 hat es also nicht mit
einer Bestandsgewähr für die Bundesstaaten, auch nicht mit ihren
Binnengrenzen, sondern nur mit der Reichsgrenze zu tun. Sie
ist dadurch festgelegt und rechtlich gesichert, sie ist der Ver-
fügung der Einzelstaatsgewalt entzogen. Aber sie ist ohne wei-
teres auch nicht der Reichsgewalt preisgegeben, soweit sie auf
Bundesstaatsgrenzen verläuft. Dementsprechend wurde bei vor-
kommenden Fällen von Reich der bundesstaatlichen Gebietshoheit
Rechnung getragen und im Zusammenwirken mit der Gliedstaats-
gewalt verfahren. Aber auch dem Art. 6 kommt nicht die ge-
wollte Bedeutung zu. Es ist ja richtig, daß das Reich mit dem
Bestande dieser fünfundzwanzig Bundesstaaten rechnet, und daß
es hier wie auch an anderen Stellen der Verfassung sie voraussetzt,
auf ihnen aufbaut. Allein man braucht noch nicht der Lehre
von einem „allgemeinen Prinzip“ zuzustimmen, auf welchem die
Verteilung der Bundesratsstimmen in Art. 6 beruhe, um doch mit
Fug behaupten zu können, die Reichsverfassung habe — vernünf-
tigerweise — 1867 oder 1870 oder 1871 mit dem gerechnet, was
da war, habe auf diesen fünfundzwanzig Staaten die Einrichtung
des Reiches gebaut, habe aber nicht erwägen oder verbieten wollen,
daß dies auch einmal anders werden könne. Sie hat die Gebiets-
hoheit dieser fünfundzwanzig Staaten vorgefunden, hat sie selbst-
verständlich — was uns hier zunächst allein angeht — bezüglich
ihrer Außengrenze beschränkt, bat sie aber im übrigen, so viel
hier in Frage steht, ziemlich unbeschränkt gelassen und insbeson-
dere nichts darüber ausgesagt, daß die Bundesstaaten in der Ver-