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„Gebundene“ und „freie“ Liste.
Ein Beitrag zum Verhältniswahlverfahren.
Von
Privatdozent Dr. ADOLF TECKLENBURG.
So sehr es auch den Anschein hat, als handele es sich bei
der Frage, ob die Verhältniswahl nach dem Verfalıren der ge-
bundenen oder der freien Liste auszugestalten sei, um
eine politische, so wenig ist das zutreffend. Klarheit vermag hier
allein die rechtswissenschaftliche Erörterung zu schaffen und zwar
nicht nur die dogmatische, sondern auch schon die rechtsgeschicht-
liche. Die kurze Spanne, seit welcher die Verhältniswahl ins
Leben getreten ist, darf nicht zu der Annahme verleiten, daß eine
entwicklungsgeschichtliche Betrachtung nicht lohne.
I. Im Gegensatz zu den unbeholfenen, oft phantastischen
Vorschlägen von Verhältniswahlverfahren, wie sie um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts in Frankreich und England auftraten,
stellte sich der praktisch veranlagte Schweizer die Aufgabe, ein
einfaches und verwendbares Verfahren zu schaffen. Seit 1869
begann man im Kanton Genf ein Verfahren zu empfehlen, das
man „freie Listenkonkurrenz“ oder auch kurzweg „freie Liste“
nannte. Woher dieser Name?
Zu einem bestimmten Termin vor der Wahl sollten von jeder
' Partei Vorschlagslisten mit den Namen ihrer Kandidaten der Wahl-