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Die offen erkannte oder widerwillig verspürte Unmöglichkeit,
ein Völkerrecht nach dem vertrauten Rezepte des Privatrechts zu
verwirklichen, führte zu einem Verzicht auf dieses Programm
und eine Beschränkung auf Erreichbares. Alles was irgendwie
eine über den Staaten stehende Gewalt voraussetzte, hatte ver-
sagt, das Naturrecht an der Spitze. Was man dafür neu ge-
wonnen, das war, wenn nicht ein klares Verständnis, so doch eine
Ahnung von der Stärke und Vielgestaltigkeit der im Staate selbst
enthaltenen Wirkungskräfte. Dieser Staat, der Einzelstaat,
soweit nötig, im gleichberechtigten Zusammenarbeiten mit anderen,
wurde nun zum Ausgangspunkt genommen; auf den Staats-
willen und seine Rechtsmacht allein sollte alles Recht gestellt
sein ’®.
Also auch das Völkerrecht. Auf dieser Grundlage arbeitet
sich allmählig eine neue Auffassung dieses Rechtszweiges her-
aus, in bewußtem Gegensatze zu jeder Anlehnung an die zivil-
rechtliche Ordnung einerseits, zu jeder trügerischen Mystik an-
dererseits. Daß hie und da noch Eierschalen daran hängen, ist
begreiflich !.
recht als Rechtsquelle in D. Verw. R. IS. 90f. Hier kommt es nur dar-
auf an, daß alles Gewohnheitsrecht in seiner Geltung vom Willen des
Staates abhängt, von ihm seine Kraft bezieht. Die Form der staatlichen
Gesetzgebung braucht man deshalb nicht für die alleinige Quelle alles
positiven Rechtes zu erklären, wie GIERKE, D. Pr. R. IS. 118, 8.160, den
„Modernsten® vorwirft. — FRICKER, in Zeitschr. für Staatswiss. XXVIII
S. 390 f.: Gewohnheitsrecht nicht möglich „ohne den Staat“... „So lange
über den Staaten eine Autorität irgendwelcher Art schlechterdings nicht
konstruiert werden könnte, würde auch das Gewohnheitsrecht nicht zu
wirklicher Realität gelangen.“ — Vgl. auch TRIEPEL, V.R. und Landes-R.
S. 127.
15 JHERING, Zweck im Recht (4. Aufl.) S. 249: „Der Staat die alleinige
Quelle des Rechts“. GIERKE, D. Pr.R.I S. 116, bestätigt: „In der Gegen-
wart hat die Vorstellung, daß das Recht sich mit dem Willen der Gemein-
schaft (insbesondere des Staates) decke, eine bedrohliche Verbreitung er-
langt.“
1° JELLINEK, Allg. Staatslehre S. 376: Eintgegen „allen zivilistischen