— 213 —
zu geneigt sein werden, die Unterstreichung des obersten Kandi-
daten der Liste als überflüssig zu empfinden, so wird man für
diesen Fall bestimmen, daß solche Stimmzettel so behandelt wer-
den, als ob der Wähler genau nach der Reihenfolge der Liste
den auf ihr genannten Bewerbern seine Kandidatenstimme ver-
leihen wolle. Dementsprechend wird sie in erster Linie als Vor-
zugsstimme für den obersten Kandidaten der Liste behandelt. So-
weit die Anzahl dieser Vorzugsstimmen die Wahlzahl überschreitet,
wird der Ueberschuß dem zweiten Kandidaten zugerechnet und
so fort*.
IIl. Unser Ergebnis ist folgendes. Der Kunstausdruck „ge-
bundene Liste* ist völlig zu streichen, weil er gegenüber der
„freien Liste“ einen Eindruck erweckt, der geradezu falsch ist.
Denn der Wähler vermag in dem dargestellten Listenverfahren
mit Vorzugsbezeichnung, welches unter den Begriff „gebundene
Liste“ fallen würde, seinem Willen einen vollkommeneren Aus-
druck zu geben und ihm stärker zur Wirksamkeit zu verhelfen,
als bei der „freien Liste“ in dem engeren bei uns üblich gewor-
denen Sinne der Zulassung des Panaschierens. Weil aber der
Ausdruck „freie Liste“ in dem weiteren ursprünglichen Sinn sich
nur aus der Anfangsentwicklung der Listenwahl erklärt und noch
dazu auch damals bloß die Abkürzung einer treffenderen Bezeich-
nung „freie Konkurrenz der Listen“ war und überdies schon da-
mals des Gegensatzes entbehrte, so ist schlechtweg nur die Be-
zeichnung „Listenwahl“* am Platze. Wo noch die Verirrung des
Panaschierens besteht, da mag man von „Listenwahl mit Pana-
schierbefugnis“ reden. Mit der Sache selbst wird auch das Fremd-
wort bald wegfallen!
© Ausgiebige Berücksichtigung findet dieses Verfahren und verwandte
in der badischen „Denkschrift über die Einführung der Verhältniswahl
bei den Wahlen zur zweiten Kammer der Ständeversammlung,“ 1913 (Braun-
sche Hofbuchhandlung, Karlsruhe). Zu einer Entscheidung ist es damals
nicht gekommen, weil die Regierung eine Wahlreform derzeitig überhaupt
ablehnte.