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Man kann die Tatsache hinnehmen, daß der Staat es ist, auf
dessen Willen jeder Völkerrechtssatz beruht, an diesem Vorgang
aber doch Besonderheiten herausfinden, wonach eine
rechtliche Gebundenheit für den Staat dabei entstünde zu Gunsten
seines Geschöpfes, das ihn jetzt festhält. Unsere Schriftsteller
haben das verschiedentlich versucht und jedesmal viel Scharfsinn
darauf verwendet. Durehgedrungen ist niehts dergleichen; es
läuft immer nur auf eine neue juristische Illusion hinaus ®®,
20 Hier wäre vor allem zu nennen TrIEPEL, V. R. und L. R. S. 94f.
Er begnügt sich nicht mit der einfachen Vereinbarung, durch welche der
Staat, übereinstimmend mit anderen, die Völkerrechtsregel setzt, sondern
läßt zugleich noch eine eigentümliche Gebundenheit für ihn begründen durch
den Gemeinwillen, der dabei entstanden sein soll, gebildet durch die „zu-
sammengeflossenen Einzelwillen“ (S. 76), in welchem der „Einzelwille steckt.“
Die bindende Kraft des Völkerrechts ist dadurch begründet, daß in dem
Gemeinwillen dem Staate „zugleich sein eigner Wille entgegentritt.“
(S. 32). Das ist die Mystik der Willenstheorie, welche in unserem öffent-
lichen Recht so großen Einfluß übt; vgl. darüber O. M., D. Verw. R. II
S. 577.
ULLMANN, V. R. S. 19 äußert sich so, daß man es von einer gewöhn-
lichen Anerkennung verstehen könnte: „Die Staaten, als Glieder der inter-
nationalen Gemeinschaft, sind berufen zur Schaffung von Normen für die
aus jener Gemeinschaft entspringenden Verhältnisse.“ Allein er nennt diese
Gemeinschaft zugleich eine „höhere, den Einzelstaaten übergeordnete Rechts-
gemeinschaft“, nachher eine „autonome Rechtsgemeinschaft“ und das Völker-
recht, das die Staaten für sie machen, „autonomisches Recht“. Das ist die
civitas maxima! Daß er sich dafür auf JELLINEKs Lehre von der „Selbst-
verpflichtung des Staates“ beruft (S. 20 Note 1), wäre eine neue, selb-
ständige Begründung (dazu schon ein Anlauf $8. 6). Aber auch dieser Bo-
den hat wohl keine genügende Tragfähigkeit.
v. VERDRoSs, in Ztschft. für V. R. VII S. 357 ff., sucht dem Staats-
willen, der allein auch nach ihm das Völkerrecht schafft, eine größere Festig-
keit und bindende Kraft auch für den handelnden Staat zu verleihen dadurch,
daß er ihn verankertin der Staatsverfassung : die Staatsoberhäupter sind durch
die Verfassung ermächtigt, durch Abschließung von Staatsverträgen die
Aenderung des eigenen Staatswillens von der Zustimmung anderer Staaten
abhängig zu muchen. Damit soll „die Bildung eines vertragswidrigen
Staatswillens als verfassungswidrig und daher als rechtslogisch unmöglich“
erkannt sein (S. 358). — Es gibt Opfer, die man auch für einen so guten
Zweck, wie die Rettung des Völkerrechts, nicht bringen darf.