Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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Man kann die Tatsache hinnehmen, daß der Staat es ist, auf 
dessen Willen jeder Völkerrechtssatz beruht, an diesem Vorgang 
aber doch Besonderheiten herausfinden, wonach eine 
rechtliche Gebundenheit für den Staat dabei entstünde zu Gunsten 
seines Geschöpfes, das ihn jetzt festhält. Unsere Schriftsteller 
haben das verschiedentlich versucht und jedesmal viel Scharfsinn 
darauf verwendet. Durehgedrungen ist niehts dergleichen; es 
läuft immer nur auf eine neue juristische Illusion hinaus ®®, 
20 Hier wäre vor allem zu nennen TrIEPEL, V. R. und L. R. S. 94f. 
Er begnügt sich nicht mit der einfachen Vereinbarung, durch welche der 
Staat, übereinstimmend mit anderen, die Völkerrechtsregel setzt, sondern 
läßt zugleich noch eine eigentümliche Gebundenheit für ihn begründen durch 
den Gemeinwillen, der dabei entstanden sein soll, gebildet durch die „zu- 
sammengeflossenen Einzelwillen“ (S. 76), in welchem der „Einzelwille steckt.“ 
Die bindende Kraft des Völkerrechts ist dadurch begründet, daß in dem 
Gemeinwillen dem Staate „zugleich sein eigner Wille entgegentritt.“ 
(S. 32). Das ist die Mystik der Willenstheorie, welche in unserem öffent- 
lichen Recht so großen Einfluß übt; vgl. darüber O. M., D. Verw. R. II 
S. 577. 
ULLMANN, V. R. S. 19 äußert sich so, daß man es von einer gewöhn- 
lichen Anerkennung verstehen könnte: „Die Staaten, als Glieder der inter- 
nationalen Gemeinschaft, sind berufen zur Schaffung von Normen für die 
aus jener Gemeinschaft entspringenden Verhältnisse.“ Allein er nennt diese 
Gemeinschaft zugleich eine „höhere, den Einzelstaaten übergeordnete Rechts- 
gemeinschaft“, nachher eine „autonome Rechtsgemeinschaft“ und das Völker- 
recht, das die Staaten für sie machen, „autonomisches Recht“. Das ist die 
civitas maxima! Daß er sich dafür auf JELLINEKs Lehre von der „Selbst- 
verpflichtung des Staates“ beruft (S. 20 Note 1), wäre eine neue, selb- 
ständige Begründung (dazu schon ein Anlauf $8. 6). Aber auch dieser Bo- 
den hat wohl keine genügende Tragfähigkeit. 
v. VERDRoSs, in Ztschft. für V. R. VII S. 357 ff., sucht dem Staats- 
willen, der allein auch nach ihm das Völkerrecht schafft, eine größere Festig- 
keit und bindende Kraft auch für den handelnden Staat zu verleihen dadurch, 
daß er ihn verankertin der Staatsverfassung : die Staatsoberhäupter sind durch 
die Verfassung ermächtigt, durch Abschließung von Staatsverträgen die 
Aenderung des eigenen Staatswillens von der Zustimmung anderer Staaten 
abhängig zu muchen. Damit soll „die Bildung eines vertragswidrigen 
Staatswillens als verfassungswidrig und daher als rechtslogisch unmöglich“ 
erkannt sein (S. 358). — Es gibt Opfer, die man auch für einen so guten 
Zweck, wie die Rettung des Völkerrechts, nicht bringen darf.
	        
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