Wir müßten offenbar schon so auskommen, ohne eine verbesserte
Zugabe.
Man kann daraus die Folgerung ziehen, und hat sie oft
gezogen, daß es sich beim Völkerrecht um ein unvollkommenes,
ein unfertiges Recht handle; darüber würden wir uns keinen
Kummer machen. Es gab aber auch immer und gibt noch Leute,
welche zu dem Schlusse kommen, daß es demnach ein Völker-
recht überhaupt nicht gibt. Man nennt sie Leugner des
Völkerrechtes. Sie bestreiten nicht, daß hier der Staat
Regeln anerkennt, die das, was das Völkerrecht soll, praktisch
auch leisten, wenigstens einigermaßen. Nur hält man eben mit
starrer Orthodoxie daran, daß Völkerrecht, Recht zwischen den
Staaten, nach dem allgemeinen Rechtsbegriffe hier nur gesetzt
werden könnte durch eine überstaatliche Macht, und
da die hier nicht im Spiele ist, so sind solche Regeln eben nur
moralische oder staatsrechtliche zu nennen, nicht völkerrechtliche °.
?1 Lasson, Prinzip und Zukunft des V. R. S. 42: „Die für ihren gegen-
seitigen Verkehr von den Staaten anerkannten und innegehaltenen Vor-
schriften“ ergeben (S. 43) „ein System von Bestimmungen, welches von
einer der Rechtsordnung sehr nahe verwandten Art ist und deshalb auch
wohl im Gegensatze zu dem innerhalb des Staates geltenden Rechte das
Völkerrecht genannt wird.“ Allein „der Staat kann niemals Untertan sein.
Eine Rechtsordnung mit zwingender Gewalt, der die Staaten unterworfen
wären, wäre selber ein Staat, und die ıhr unterworfenen Staaten wären nun
vielmehr keine Staaten mehr sondern Untertanen* (S. 23). Also handelt
es sich bei den Regeln des Völkerrechts nicht um Rechtssätze, wenn sie
auch zuweilen deren Form tragen. „Sie sind Klugheitsregeln, nicht Rechts-
regeln“ (S. 49).
ZORN in Annalen des deutschen Reichs 1882 S. 82£.: „Das Gesandt-
schaftsrecht... bildet einen Teil des Staatsrechts und zwar des äußeren
Staatsrechts ... es gibt wie überhaupt kein Recht, so insbesondere kein
Gesandtschaftsrecht, welches vom Begriff des Staates getrennt werden
könnte, kein Gesandtschaftsrecht, welches aus einer über den Staaten vor-
handenen Quelle erflossen, diese letzteren im Rechtssinne zu binden ver-
möchte, so wie das Straf- oder Zivilgesetz des Staates die Untertanen bindet
und zwingt: die Auffassung des ‚Völkerrechts‘, welche diesen letzteren
Gesichtspunkt zum Fundament der juristischen Konstruktion nimmt, ist be-