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d) Der Versuch BRAUNs, meine Deutung von $ 7 II 13 mit dem Zitat
aus FOERSTER-EccıUS I S. 76 zu widerlegen, scheitert an der einfachen
Tatsache, daß FÖRSTER-Eccıus das von mir zuerst herangezogene Be-
weismaterial offenbar ganz außer acht gelassen haben. Ebenso ist dem
an gleicher Stelle gegen mich zitierten GIERKE notorisch mein Auslegungs-
material unbekannt gewesen. Daß GIERKE übrigens das Gesellschafts- und
Korporationsrecht des ALR., auf dessen Gestaltung der landrechtliche Pri-
vilegbegriff auch von großem Einfluß gewesen, gründlich mißverstanden
hat, zeigen jetzt meine Publikationen im Archiv für bürgerliches Recht
Bd. 43 S, 1Lf. und bei GrucHor Bd. 62 S. 1f., sowie mein Statutenbegriff
im ALR. 1916,
e) Gegen meine Ansicht, daß $ 72 Einl. ALR. dem Zivilrichter
ein Entscheidungsrecht gebe, eifert BRAun S. 139 mit einem Ausrufungs-
zeichen. Aber unbestreitbar hat noch das konstitutionelle Recht Preußens
Rechtsverhältnisse anerkannt, wo in einer meiner Deutung des $ 72 Einl.
durchaus analogen Weise der Zivilrichter zu erkennen hatte. So erfolgte
nach Art. 12 8 5 preuß. Einf.G. vom 24. Juni 1861 zum deutschen Handels-
gesetzbuch durch zivilrichterlichen Spruch die entschädigungslose Auflösung
einer Aktiengesellschaft, die sich rechtswidriger, das Gemeinwohl gefähr-
dender Handlungen schuldig gemacht (KocH, Kommentar 1863 8. 51 f. 263).
Vorher hatte Art. 186 des preuß. Entwurfs eines Handelsgesetzbuchs 1857
durch Ausspruch des ordentlichen Zivilrichters die entschädigungslose Auf-
hebung des „Rechts“ einer Aktiengesellschaft geplant, die sich „eines groben
Mißbrauchs ihres Rechts schuldig“ gemacht (Motive 1857 S. 93). Dabei
erforderte damals der Wille des preußischen Rechts eben zur Errichtung
einer Aktiengesellschaft die „landesherrliche Genehmigung‘. Eine voll-
kommene Parallele zu meiner Deutung von $ 72 Einl. ALR,. brachte eben-
falls das preußische Gesetz über die Aktiengesellschaften vom 9. November
1843, dessen $ 7 die entschädigungslose Aufhebung des „Rechts“ einer
Aktiengesellschaft durch Richterspruch anordnete, die sich „eines groben
Mißbrauchs ihres Privilegiums schuldig“ gemacht. KocH, Kommentar 1863
S. 5l bemerkt: „Das Gesetz vom 9. XI. 1843 behandelt die Aktiengesell-
schaften als juristische Personen und sieht daher in der landesherrlichen
Genehmigung die Verleihung eines Privilegiums, auf welches der $ 25 116
und der $ 72 Einl. ALR. anzuwenden sind.* Das ‚richterliche Erkenntnis®
des $ 72 auf einen Ausspruch des Zivilrichters zu beziehen, berechtigt ins-
besondere der Parallelismus des unmittelbar vorhergehenden ‚rechtlichen
Erkenntnis“ im $ 71 Einl., das unzweifelhaft nur auf einen Spruch des
Zivilrichters geht. Allerdings bezeichnet noch Kochs Kommentar z. ALR.
I 1884 S. 63 den Strafprozeß als die zu $ 72 gehörende „prozessualische
Form*, und das ALR. kennt allerdings Fälle, wo ein Rechtsverlust durch
strafrichterlichen Spruch wegen Rechtsmißbrauchs vorgesehen ($ 241 II 20;
$ 17, 18 1 23; 8 85 II 17); doch handelt es sich hier um besonders ge-