— 266 —
Polizeibegriff zum Durchbruch, der den Eudämonismus, die Wohl-
fahrtsförderung bewußt ausschaltete ($ 10 II 17 ALR.). Damit
ist der Polizeigedanke des Polizeistaates grundsätzlich aufgegeben
worden. Der neue Gedanke stellt ein Mittelding dar zwischen
öffentlichem Staatsinteresse und humanistisch gedachtem Selbst-
bestimmungsrechte des einzelnen. Doch war er in der Ziehung
der äußeren und inneren Folgen nicht sicher. Die Aufnahme des
Begriffs der „öffentlichen Ruhe“ in den Polizeibegriff erhielt
später große politische Bedeutung. Die Anteilnahme des Staats-
bürgers an der Bildung des Staatswillens, die persönliche Frei-
heitssphäre als Rechtseinwirkung, die Unterstellung der Verwal-
tung unter das Gesetz, hätten in der Richtung der Aufklärung
liegen müssen. Zu jenen Sicherungen kam es aber im Preußi-
schen Allgemeinen Landrechte nieht. Der neue Polizeigedanke
war haltlos, gegenüber der politischen Reaktion wehrlos.
Die Restauration schiebt den Polizeigedanken der Auf-
klärungszeit beiseite, fällt aber unter die Herrschaft des polizei-
staatlichen Gedankens zurück (S. 87—130). Bekämpft wird jetzt
die „Neuheitssucht“, die geistige Unruhe. Man schwört auf das
Prinzip der Ruhe, die die erste Bürgerpflicht sein soll. Die für
den preußischen Polizeigedanken entwicklungsgeschichtlich wesent-
lichen Elemente waren von der französischen Revolution bis 1813:
die Niederhaltung jedes staatsbürgerlichen Interesses. Man kehrt
zu polizeistaatlichen Prinzipien zurück, lehnt die Idee des be-
rechtigten Staatsbürgertums ab. Die Verordnung vom 26. De-
zember 1808 wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-, Polizei-
und Finanzbehörden bedeutet die völlige Beseitigung des im ALR.
zum Bechtssatz erhobenen beschränkten Polizeigedankens und die
Erweiterung des letzteren. Die Restaurationsepoche legt dagegen
Gewicht auf die wohlerworbenen Rechte (L. v. HALLER), auf den
überlieferten rechtlichen Besitzstand, wendet sich gegen den, in
Frankreich so gefährliche Wirkungen zeigenden, auf das Pflicht-
bewüßtsein gegründeten Bürgersinn, der, weil er den Glauben an