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Das BGB. hat, wie Art. 55 des EG. ausdrücklich hervorhebt,
nur die privatrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze außer
Kraft gesetzt. Rechtssätze aber, welche die tatsächlich und recht-
lich ungestörte pflichtmäßige Bereithaltung öffentlicher Wege für
den Verkehrszweck zum Gegenstand haben, sind Sätze des öffent-
lichen Rechts®®. Die etwa entgegenzusetzende Meinung, Sätze des
öffentlichen Rechts könnten nur Gebote und Verbote enthalten
und nicht auch Einschränkungen und Entziehungen privater
Rechte, wäre völlig unbegründet. Ein Satz des öffentlichen Rechts
wird dadurch nicht privatrechtlich, daß er in Privatrechte
eingreift.
Tatsache ist, daß noch von keiner Seite die Rechtsgültigkeit
des Art. 12 Abs. 2 des AG. angezweifelt worden ist. Die Be-
stimmung wird nicht nur in der badischen Literatur ohne weiteres
als gültig behandelt?®, sondern auch in der allgemeinen Literatur.
GIERKE?? führt den Art. 12 zwar als Singularität an, aber ohne
Zweifel an seiner Rechtsgültigkeit:. FLEINER?® sagt allgemein,
die Kompetenz der Landesgesetzgebung zur Zurückdrängung des
Privateigentums aus Gründen des öffentlichen Rechts sei aus-
drücklich vorbehalten im EG. z. BGB. Art. 55, 109, 111. Und
O. MAYER®® hält sogar nach allgemeinem deutschen Recht eine
privatrechtliche Rechtsbegründunz für ausgeschlossen, wenn eine
öffentliche Sache „einheitlich im öffentlichen Eigentum“ stehe, d.h.
im Eigentum des öffentlichen Verbandes, dessen Behörden die Ver-
waltung der öffentlichen Sache zusteht.
Aus alledem ergibt sich, daß Art. 12 des AG. sowie $ 30
35 Vgl. DERNBURG, Sachenrecht 2. Aufl. (1901) S. 27 fi. — ENDEMANN,
Lehrb. d. b. R. Bd. II, 8. u. 9. Aufl. (1905) S. 17. — GERMERSHAUSEN, ]
Ss. 126.
3° HEINSHEIMER, Das BGB. u. d. bad. Recht, 2 Aufl. (1901) I S. 347.
— DORNER, Komm. z, AG. S. 134 fi. — DORNER-SENG a. a. OÖ. S. 127 f.
3” Sachenrecht S. 24 N. 14, ebenso BIERMANN, Die Öff, Sachen (1905),
S. 40.
38 Institutionen S. 333 N. 15.
s JI2 S. 120 vgl. S. 100 N. 37.