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tragung des Parlamentarismus auf deutsche Verhältnisse unsere
obersten Reichsbeamten ein anderes Gepräge erhalten, so werden
wir unsere Aufgabe in der Weise zu lösen suchen, daß wir die
Stellung der obersten Reichsbeamten zum Bundesrat vom Stand-
punkte des parlamentarischen Systems behandeln.
_ I.
Zunächst befassen wir uns mit der Stellung des Reichs-
kanzlers als des höchsten Reichsbeamten zum Bundesrat. Sie
wird maßgeblich bestimmt durch Art. 15 RV., wonach dem
Reichskanzler der Vorsitz im Bundesrate und die Leitung der Ge-
schäfte zustehen. Der Reichskanzler steht also dem Bundesrate
nieht gegenüber als einer Körperschaft, mit der er zu verhandeln
hat, etwa wie mit dem Reichstage, sondern erhält durch Art. 15
seinen Platz im Bundesrat selbst verankert. Gegenüber den
übrigen Bundesratsmitgliedern hat der Reichskanzler eine bevor-
rechtigte Stellung im Bundesrat inne, denn er ist nicht nur wie
die andern stimmführendes Mitglied?, sondern auch der Vor-
zu vereinbaren sei, wenn das Gesamtministerium aus Bürokraten bestünde,
wenn diese sich nur als Vertrauensleute der Parlamentsmehrheit betrachten
und deren Politik machen. Diese Ansicht widerspricht aber dem Zweck
des p. S., der darin besteht, eine innige Verbindung zwischen Parlament
und Regierung dadurch herzustellen, daß die Regierung von parlamen-
tarischen Führern gehandhabt wird; ganz abgesehen davon, daß es
Geheimnis der Frankf. Zeitg. bleibt, wo solche Männer zu finden sind, die
sich als Vertrauensleute der Parlamentsmehrheit betrachten, ohne dem Par-
lament überhaupt anzugehören.
®2 And. Ans. Fürst Bismarck in den Reichstagssitzungen vom 13. IIl.
1877 u. 24. I. 1883 sowie in „Gedanken und Erinnerungen* Bd. II 8. 397 ff.,
ferner P. HENnSEL in Hırras Annalen 1882 S. 10 ff. (Reichskanzler brauche
nicht Mitglied des Bundesrats zu sein). Dem widerspricht aber die ge-
schichtliche Entwickelung des Reichskanzleramtes, sodann der Wortlaut
des Art, 15 8. 2 RV. (jedes andere Mitglied), vor allem auch m. E. der
Sinn des Art. 15 $. 1, denn man kann doch nicht Vorsitzender und Ge-
schäftsleiter des Bundesrats sein, ohne die erste Voraussetzung zu erfüllen,
ihm als Mitglied anzugehören;; so auch die C. O. z. B. LABAnD, Hb. des öff,
Rechts 8. 67 u. Staatsrecht Bd. I S. 278 sowie MEYER-AnscHürTz, Lehrb.
S. 433 und die ständige Praxis.
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