Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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schiedener Herkunft sind und danach auch so verschiedenen In- 
halts sein können, verpflichtet doch die Bundesratszugehörigkeit 
das Mitglied instruktionsgemäß nach den Weisungen seiner Re- 
gierung, dagegen das Reichstagsmandat umgekehrt den Abgeord- 
neten gemäß Art. 29 RV. zu stimmen ohne Bindung an Auf- 
träge und Instruktionen, trifft jedenfalls für den Reichskanzler 
nicht zu, denn er selbst ist ja derjenige, welcher in Uebereinstim- 
mung mit den Weisungen des Königs von Preußen seine und die 
übrigen preußischen Stimmen kraft seines Amtes als preußischer 
Minister des Auswärtigen instruiert, wird also naturgemäß nie- 
mals Instruktionen erteilen, die im Widerstreit mit seinen Pflichten 
als Abgeordneter stehen. Auch wird man nicht behaupten können, 
daß der Bundesrat dadurch, daß das eine, immerhin recht ge- 
wichtige Mitglied, der Reichskanzler, Parlamentarier ist, sein 
bürokratisches Aussehen verliert und parlamentarisiert wird. Da- 
gegen wird bei einer Aufhebung des Art 9°, die Stellung des 
Reichskanzlers zum Bundesrat dadurch in hohem Maße berührt, 
daß ein parlamentarischer Reichskanzler als Abgeordneter den 
Einflüssen seiner Partei in hohem Maße unterworfen und als 
parlamentarischer Minister von dem Vertrauen der Mehrheit des 
Reichstages in wichtigen Fragen abhängig ist, was alles beim 
jetzigen konstitutionellen System nicht der Fall ist. Gegenüber 
einer derartigen Stärkung des Einflusses des Reichstags auf den 
Reichskanzler wird als Gegengewicht der Bundesrat auch seiner- 
seits eine Stärkung seiner Position gegenüber dem Reichskanzler 
mit vollem Recht verlangen können. Das läßt sich dadurch 
erreichen, daß die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers gegenüber 
dem Bundesrat ausgebaut und größer wird, als sie es nach bis- 
herigem Rechte war. Nach geltendem Recht ist der Reichskanzler 
dem Bundesrat, abgesehen von der Rechnungslegung des Art. 72 
RV., nur für die Regierungsakte verantwortlich, die er gemäß 
Art. 17 RV, als kaiserlicher Reichsminister vornimmt°, für alle 
5 Und auch das ist in der Verfassung nicht ausdrücklich ausgesprochen
	        
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