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sonstigen Regierungshandlungen aber überhaupt nicht. Also nicht
namentlich für seine gesamte Tätigkeit im Bundesrat, für die er
lediglich dem Könige von Preußen und dem preußischen Land-
tage, nicht aber den übrigen Einzelstaaten, dew Bundesrate als
solchem, verantwortlich ist. Grade dieses Tätigkeitsgebiet des
Reichskanzlers aber ist von höchster Bedeutung für das Reich,
da in der Regel für die Behandlung der Gesetzesvorlagen usw.
ım Bundesrat ausschlaggebend ist, wie der Reichskanzler und die
übrigen von ihm instruierten preußischen Bundesratsmitglieder
stimmen. Wollen wir daher als Ausgleich gegen eine Aufhebung
des Art. 9°? und eine dadurch bedingte Stärkung des Einflusses
des Reichstags auf den Reichskanzler dessen Verantwortung gegen-
über dem Bundesrat erweitern, so müssen wir die gesamte Tätig-
keit des Reichskanzlers, einschließlich auch der allgemeinen Richt-
linien seiner Politik, der Verantwortung gegenüber dem Bundes-
rat unterstellen, wodurch die außerpreußischen Einzelstaaten einen
Machtzuwachs erhalten, der Föderalismus vertieft wird. Mit einem
Wort, die gesamten Regierungshandlungen des Reichskanzlers
haben der Verantwortung vor dem Bundesrat zu unterliegen, und
dies muß, da es bislang noch nicht rechtens ist, auch in der Ver-
fassung klar zum Ausdruck gebracht werden.
Dabei können wir an die Arbeit des Verfassungsausschusses
des Reichstags anknüpfen. Dieser hat bereits beschlossen, in den
Wortlaut des Art. 17 RV. aufzunehmen, daß der Reichskanzler
für die von ihm gegengezeichneten kaiserlichen Regierungsakte
die Verantwortlichkeit gegenüber dem Bundesrat über-
nımmt. Das stellt insofern einen Fortschritt dar, als es ın der
Verfassung nicht ausdrücklich erwähnt ist; an dem Umfang der
Verantwortlichkeit des Reichskanzlers wird dadurch aber nichts
geändert, weil es, wie wir gesehen haben, nach herrschender An-
sicht schon heute gilt. Wir müssen daher die Arbeit des Ver-
worden und wird daher bestritten von ROSENBERG, die staatsr. Stellung
des Reichskanzlers 1889 S. 31 ff.