Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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Monarchen und zum Beamten ergibt in keinem Falle den Staatsmann. Das 
System vertreibe die besten Kräfte. Die parlamentarische Regierungsweise 
entwickle alle Vorzüge der Republik in beständiger Selbstläuterung aus sich 
heraus. Die Vorzüge der Monarchie seien auch in ihr gewahrt. Der König sei 
weder politische Null, noch Jnhaber der gesamten Staatsgewalt, sondern die per- 
sönliche Erscheinung der höchsten irdischen Idee des Staates. Der Vorzug des 
parlamentarischen Systems bestehe also „in der vollkommensten Ueberein- 
stimmung zwischen dem Willen des Volkes, wie er sich in dem Parlament durch 
die Parteien kundgibt, und der Regierung des Landes. Es führt dem Staat die 
Talente zu und erzieht sie zur Leitung, und es erhebt gleichzeitig das Königtum 
über die Stufe formaler Gewalt zur Höhe einer unvergleichlichen politisch- 
sittliehen Macht‘ (S. 37). 
Der gute Monarchist dagegen sieht in der Verlegung des Schwerpunktes 
des ganzen bürgerlichen Lebens in die Politik den Hauptfehler des parlamen- 
tarischen Systems. Mit ihm sei die Hingabe des Staates als Beuteobjekt, die 
Pflege des Interesses an den materiellen Werten des Lebens verbunden. Nur 
im Sinne eines kaufmännischen Kapitalismus stelle das parlamentarische 
System einen höhern Grad des politischen Sinnes dar; es verherrlicht den 
Kultus um das goldene Kalb, das Verdienen, den Nutzen, aus dem sich die 
englisch-amerikanische Rasse eine Religion gemacht hat. Das konstitutionelle 
System bekämpfe im Gegensatz zu jenem den Raubtierinstinkt, der dem Streben 
nach politischem Einfluß und Staatsmannsstellungen, der Eroberung und Unter- 
drückung anderer zugrundeliegt. Die deutsche Verfassung legt das Gewicht 
auf Gesetz, Schranke, Maß, die englisch-amerikanische auf Freiheit; die konsti- 
tutionelle Monarchie will nicht, daß die Staatsgewalt Kampfpreis sei, sie soll 
in fester Hand bewahrt werden. Deshalb sei das Königtum die beste Form zur 
Sicherung der Staatsgewalt. 
Das Ergebouis der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung in England 
sei, daß die großen Parteien sich selbst im Parlamente und im Kabinett zu sichern 
wußten, während auf Königtum und Volk davon nur ein blasser Schein fiel. 
Den Nutzen, den das parlamentarische System als höchstes Ziel erstrebt, er- 
reicht es auf eine ünehrliche, unanständige und äußerst umständliche Weise. 
Die Rechte des Königs sind ebenso wie die des Volkes (mit Ausnahme des Wahl- 
rechts) nur Fiktionen. Die Parteimaschinerie beherrscht alles.. Das parla- 
mentarische System sei mehr ein solches der Verstellung als des freien Spiels 
der Kräfte. Die Erziehung der englischen öffentlichen Parteischule sei im we- 
sentliohen eine Erziehung zu Kniffen und Unaufrichtigkeiten des lieben Vorteils 
wegen. Gewisse äußere Errungenschaften seien anzuerkennen; aber England 
sei rüokständig geblieben in allen tieferen Aufgaben und Bedürfnissen der 
Menschheit. Das konstitutionelle deutsche System hat seinen Fehler in einem 
nicht genügend ausgebauten Verhältnis zwischen Volksvertretung und Beamten- 
tum. Aber Monarchie, Beamtentum und auch Volksvertretung haben sich
	        
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