Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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und durch die gleichmäßige Gebundenheit aller beteiligten Staaten an 
ihren Bestand *®. 
Aber weiter: das bürgerliche Recht spannt das Netz seiner 
Ördnungen über alle Lebensbeziehungen zwischen den einzelnen; 
da gibt es keine Lücke, für die man nicht sagen könnte, was 
Rechtens ist. Das Völkerrecht gewährt einen gewissen Kreis von 
Grundrechten und stellt darüber hinaus nur hie und da noch einen 
Rechtssatz in das Getriebe hinein °®. Darüber hinaus herrscht für 
die Staaten das Recht nicht mehr, sondern die Macht. Doch auch 
diese nicht allein. Sondern auf solchem freien Gebiet kommt dann 
die Gerechtigkeit zu einer Bedeutung, wie sie das Privatrecht ihr 
nicht ermöglicht: sie wirkte rechtersetzend. Sie wirkt 
hier ähnlich, wie sie neben andern moralischen Mächten, neben 
religiöser Rücksicht vor allem auch, gewirkt hat zur Zeit, da es 
noch kein Völkerrecht gab. Nur jetzt kräftiger, bewußter; sie 
hat Fortschritte gemacht: zwingend freilich nicht und nicht so 
schlechthin nach festen Regeln —, sonst würde sie in Recht über- 
gehen und das hat eben hier Schwierigkeiten. 
Einen Hauptfall bietet der Krieg. Wir haben ein Kriegs- 
recht, von den Staaten anerkannt zur Regelung ihres Verhaltens 
im Kriege. Für das allerwiehtigste aber haben wir keine Rechts- 
ordnung: für die Heraufbeschwörung dieses ganzen Unheils. Zu 
beobachtende Formen bei Beginn, das ist alles. In der: Sache ist 
der Krieg dem freien Entschluß der Staaten anheimgestellt —, 
noch geradeso wie bei den Stämmen der Sioux und Irokesen. Frei- 
lich, schon im Altertum forderte man ein bellum justum. Dem 
4° PAULSEN, Ethik II S. 142, bezeichnet das positive Recht geradezu 
als „eine geschichtliche Lebensordnung, wodurch die Forderungen der Ge- 
rechtigkeit verwirklicht werden“. Daß das so sei, ist aber selbst wieder 
nur eine Forderung und eine Vermutung, und die Verwirklichung geschieht 
durch die Einhaltung der Form des Rechts, nicht durch den Inhalt der 
völkerrechtlichen Bestimmung. — HEILBORN, in HOLZENDORFFs Enzykl. V 
S. 484: Das Recht ist „eine prinzipiell gerechte Regel für das Verhalten 
‚der Menschen oder Staaten zueinander“. 
50 Tjeber seine Lückenhaftigkeit: JELLINEK, Allg. Staatslehre 8. 378. 
  
 
	        
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