Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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einnimmt. Deshalb gibt es auch gegen dasselbe kein aufhebendes Gewohn- 
heitsrecht; auch der Papst kann es nicht aufheben.“ 
Wenn der Verf. S. 54 der päpstlichen Verwaltungsreorganisation nach- 
rühmt: „Justiz- und Verwaltungssachen sind voneinander getrennt“, so 
nimmt er etwas an, was nach der Verfassungseigentümlichkeit der kath. 
Kirche gar nicht möglich ist. Besserungen sind wohl erzielt, aber eine 
wirkliche 'Trennung der Gewalten scheiterte an der Geschlossenheit des 
päpstlichen Absolutismus. Bemerkenswert ist die Feststellung S. 65, die 
von einem starken Unabhängigkeitsgefühl Zeugnis ablegt: „Die Borromäus- 
Enzyklika endigte sonach mit einer Niederlage des Apost. Stuhles, indem 
letzterer die Erfahrung machen mußte, daß die moderne Welt sich die 
Sprache, wie sie die Päpste im Mittelalter führen durften, nicht mehr ge- 
fallen läßt.* Der Gesetzgebung Pius X. spendet der Verf. reiches Lob und 
sieht dem großen (mittlerweile vollendeten) Kodifik ationswerk mit vertrauens- 
vollem Erwarten entgegen. Er meint S. 73: „Entspricht das Ganze dem 
jetzt vorliegenden Gesetzesmaterial, so kann das Gesamturteil nur ein an- 
erkennendes sein; denn es scheint ein großartig angelegtes konservatives 
Werk aus einheitlichem Guß werden zu wollen. Hervorragend ist die klare 
prägnante Sprache der Erlasse, man glaubt die Sprache der alten römischen 
Juristen des Corpus juris civilis vor sich zu haben.“ 
Der Schwerpunkt des Buches liegt im 2. Hauptteil „Verfassungsge- 
schichte der kath. Kirche nach Staatskirchenrecht“. S. 74—423. 
Nachdem der Verf. in je einem Abschnitt das Staatskirchenrecht in der 
früheren deutschen Reichs- und Bundeszeit, in dem heutigen Deutschen 
Reich und in Oesterreich (Cisleithanien) dargestellt bat (S. 75—93), behändelt 
er in je einem Kapitel das Staatskirchenrecht der deutschen Bundesstaaten 
und der Reichslande (S. 94—423). Ueber die staatskirchenrechtlichen Ver- 
hältnisse in Preußen, Bayern, Württemberg, Sachsen, Baden und Hessen 
haben wir umfassendere Darstellungen. Um eine Einzelheit aus dem kurz 
skizzierten bayerischen Staatskirchenrecht herauszugreifen, möchte ich zu 
den Ausführungen S. 133 nur feststellen, daß jetzt die Genehmigungs- 
Entschließung für die griechische Kirche aufgefunden und bekannt worden 
ist, Vgl. die Würzb. Diss. von Kınn, „Die rechtl. Stellung der griech. 
Kirche in Bayern“ 1911 S. 24 ff. 
Für die kleineren norddeutschen Bundesstaaten mußte der Verf. sich 
erst den Weg bahnen. Auf diesem Gebiet lagen seine zahlreichen Vor- 
arbeiten. Wer einmal hier zu arbeiten hatte, kennt die Schwierigkeiten 
— schon in der Materialbeschaffung. Der Verf. hat sich ein großes Ver- 
dienst erworben, daß er die zum guten Teil recht verworrenen und un- 
klaren Verhältnisse sichtete und systematisch zur Darstellung brachte. Wer 
hier weiterarbeiten will, wird an FREISEN anzuknüpfen haben. 
Ueber die Zuständigkeitsverhältnisse herrschte vielfach Unklarheit und
	        
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