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einnimmt. Deshalb gibt es auch gegen dasselbe kein aufhebendes Gewohn-
heitsrecht; auch der Papst kann es nicht aufheben.“
Wenn der Verf. S. 54 der päpstlichen Verwaltungsreorganisation nach-
rühmt: „Justiz- und Verwaltungssachen sind voneinander getrennt“, so
nimmt er etwas an, was nach der Verfassungseigentümlichkeit der kath.
Kirche gar nicht möglich ist. Besserungen sind wohl erzielt, aber eine
wirkliche 'Trennung der Gewalten scheiterte an der Geschlossenheit des
päpstlichen Absolutismus. Bemerkenswert ist die Feststellung S. 65, die
von einem starken Unabhängigkeitsgefühl Zeugnis ablegt: „Die Borromäus-
Enzyklika endigte sonach mit einer Niederlage des Apost. Stuhles, indem
letzterer die Erfahrung machen mußte, daß die moderne Welt sich die
Sprache, wie sie die Päpste im Mittelalter führen durften, nicht mehr ge-
fallen läßt.* Der Gesetzgebung Pius X. spendet der Verf. reiches Lob und
sieht dem großen (mittlerweile vollendeten) Kodifik ationswerk mit vertrauens-
vollem Erwarten entgegen. Er meint S. 73: „Entspricht das Ganze dem
jetzt vorliegenden Gesetzesmaterial, so kann das Gesamturteil nur ein an-
erkennendes sein; denn es scheint ein großartig angelegtes konservatives
Werk aus einheitlichem Guß werden zu wollen. Hervorragend ist die klare
prägnante Sprache der Erlasse, man glaubt die Sprache der alten römischen
Juristen des Corpus juris civilis vor sich zu haben.“
Der Schwerpunkt des Buches liegt im 2. Hauptteil „Verfassungsge-
schichte der kath. Kirche nach Staatskirchenrecht“. S. 74—423.
Nachdem der Verf. in je einem Abschnitt das Staatskirchenrecht in der
früheren deutschen Reichs- und Bundeszeit, in dem heutigen Deutschen
Reich und in Oesterreich (Cisleithanien) dargestellt bat (S. 75—93), behändelt
er in je einem Kapitel das Staatskirchenrecht der deutschen Bundesstaaten
und der Reichslande (S. 94—423). Ueber die staatskirchenrechtlichen Ver-
hältnisse in Preußen, Bayern, Württemberg, Sachsen, Baden und Hessen
haben wir umfassendere Darstellungen. Um eine Einzelheit aus dem kurz
skizzierten bayerischen Staatskirchenrecht herauszugreifen, möchte ich zu
den Ausführungen S. 133 nur feststellen, daß jetzt die Genehmigungs-
Entschließung für die griechische Kirche aufgefunden und bekannt worden
ist, Vgl. die Würzb. Diss. von Kınn, „Die rechtl. Stellung der griech.
Kirche in Bayern“ 1911 S. 24 ff.
Für die kleineren norddeutschen Bundesstaaten mußte der Verf. sich
erst den Weg bahnen. Auf diesem Gebiet lagen seine zahlreichen Vor-
arbeiten. Wer einmal hier zu arbeiten hatte, kennt die Schwierigkeiten
— schon in der Materialbeschaffung. Der Verf. hat sich ein großes Ver-
dienst erworben, daß er die zum guten Teil recht verworrenen und un-
klaren Verhältnisse sichtete und systematisch zur Darstellung brachte. Wer
hier weiterarbeiten will, wird an FREISEN anzuknüpfen haben.
Ueber die Zuständigkeitsverhältnisse herrschte vielfach Unklarheit und