Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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Streit, und der Verf. berichtet von Kompetenzüberschreitungen. Vgl. vor 
allem S. 216%. Er betont S. 215: 
„Nach kirchenrechtlichen Grundsätzen ist ein Bischof nur in dem 
ihm von der obersten Kirchenbehörde zugewiesenen Territorium, seiner 
Diözese older Päpstlichen Delegatur, zu handeln berechtigt. Alle ohne 
diese Ermächtigung vorgenommenen Akte sind widerruflich bzw. un- 
gültig, so die UVebertragung und Ausübung der Beichtjurisdiktion, die 
Anstellung von Pfarrern usw.; denn eine Epikie gibt es nur in der 
Moral, nicht aber im Kirchenrecht. Außerdem unterliegt ein derartiges 
Hinübergreifen in einen nicht zugewiesenen Sprengel, wenn auch noch 
so gut gemeint, schweren Kirchenstrafen, letzteres auch dann, wenn das 
Handeln in Rechtsunkenntnis geschieht. Denn von einem Bischof kann 
und muß die Kenntnis dieser elementaren Rechtsgrundsätze ver- 
langt werden. * 
Aber bei den Jurisdiktionsverhältnissen in der Diaspora handelt es 
sich nicht um die leicht verschaffbare Kenntnis von Rechtsgrundsätzen, 
sondern um schwer feststellbare und schwankende Sprengelverhältnisse, 
über die nicht einmal in der Propaganda immer Zuverlässiges zu erfahren 
ist. Ein päpstliches Breve an den Fürstbischof Grafen Schaffgotsch von 
Breslau vom 12. September 1740 in der Frage der gemischten Ehe hatte 
erklärt, die „tolerantia® Roms ınüsse genügen, um das Gewissen des Bi- 
schofs zu beruhigen, zumal hier nur ein kirchliches Verbot, kein ius divi- 
num oder naturale in Frage komme. Das gilt auch hier. Der Verf. weiß 
doch auch aus der älteren Zeit von Sachsen-Altenburg S. 294 zu berichten: 
„Eine ausdrückliche Uebertragung der Jurisdiktion an den letzteren (Apost. 
Vikar in Sachsen) hat damals nicht stattgefunden, die dortige Pastoration 
geschah jedoch unter Vorwissen und stillschweigender Genehmigung der 
Präfektur der Propaganda.“ Auch für Schwarzburg-Rudolstadt berief sich 
der Minister v. Bertrab auf die „bestehenden Tatsachen und hergebrachten 
Traditionen“ (S. 355), und der Verf. selbst sucht S. 245 mit der ,‚still- 
schweigenden Zustimmung der kirchlichen Obern® auszukommen. Der 
Ueberkritizismus ist hier doppelt gefährlich und man soll das Gespenst der 
Ungültigkeit nicht leichthin an die Wand malen. 
Der 3. Hauptteil handelt vom „Ausgleich zwischen dem kath. Kirchen- 
und Staatskirchenrecht“ und ist auffallend kurz (8. 424—427),. Den Aus- 
gleich sieht der Verf. hauptsächlich in der kirchlichen Verwaltungsprasxis, 
und abgesehen von den Dispensationen besonders in dem System des To- 
lerierens und Dissimulierens. Er berührt sich hier mit meinen Ausführun- 
gen über die „katholische Kirche“ in v. STENGEL-FLEISCHMANN, Wörter- 
buch des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts II S. 501. Die Auffassung 
des Verf, über die vigens ecclesiae disciplina S. 426 kann ich jedoch nicht 
teilen.
	        
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