Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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II. Die Androhung eines Uebels, dessen Zufügung nieht verboten ist, ist 
erlaubt, wenn das Uebel in der Geltendmachung eines Rechts aus einem Rechts- 
verhältnis oder in bloßeı Abkehr besteht. 
III. Die Androhung eines Uebels, dessen Zufügung nicht verboten ist, 
ist erlaubt, wenn auch durch die Zufügung des Uebels ein Vermögensvorteil 
erreicht werden kann oder soll.“ 
Angesichts dieses Wortlauts möchten wir in der von uns bereits gebrachten 
Formulierung des Tatbestandes de lege ferenda unter II folgende rein sprach- 
liche Abänderung vorschlagen: 
„II. Eine Drohung im Sinne dieses Paragraphen liegt nicht vor, wenn 
1. die Zufügung des angedrohten Uebels erlaubt ist und in der Geltendma- 
chung eines Rechts aus einem Rechtsverhältnis oder in bloßer Abkehr be- 
steht, oder 
2. die Zufügung des angedrohten Uebels erlaubt ist und durch dieselbe 
ein Vermögensvorteil erreicht werden kann odeı soll. 
Der Versuch ist strafbar.‘ 
Vielleicht kommt so der entscheidende Gegensatz von Androhung und 
Zufügung des Uebels noch mehr zum Ausdruck. Der neue Paragraph würde 
den alten an Länge ums Doppelte übertreffen; allein Noımenadressat ist an 
erster Stelle der Richter, und dem ist, wie gerade die mit $ 253 gemachte Er- 
fahrung lehrt, mit vieldeutiger Brevilogquenz wenig gedient, und dem Volke 
kommt es weniger auf eine leicht zu gewinnende Rechtskenntnis, als auf ver- 
nünftige Rechtsprechung an. 
An den gewonnenen Kriterien prüft nun der Verfasser eine anschnliche 
Reihe von andern Abgrenzungsversuchen, so die Ansicht KRÜCKMANNS, die 
sogenannten Relationstheorien von FRANK, BINDING, MEYER-ALLFELD, 
v. Liszt, KOEHLER, FINGER, LIEBLING, BELING, OBORNIKER. DBeson- 
ders eingehend wird die Theorie Engelhardts untersucht und dabei zu einer 
großen Anzahl streitiger Fälle in bestimmter Weise Stellung gencmmen. 
Gewiß würde mancher Leser für ein Erläuterung des Wortes Chantage 
dankbar sein. Es ist doch sehr interessant, was FRANK darüber in Seufferts 
Blättern mitteilt. Was könnte die Bezeichnung besser aufhellen als Balzaos 
Worte: La bourse ou l'honneur. 
Die Moraltheorien KOLLMANNs und KLEEs werden mit einleuchtenden 
Gründen abgelehnt. Die Sittenwidrigkeit des BGB. gehört nicht ins RStGB. 
Ueberhaupt wird der Sittlichkeit und dem Rechte am besten damit gedient, 
wenn ihre Grenzen unverwirrt bleiben. Schließlich gelingt es dem Verfasser, 
den Kern seiner Leitsätze II und III mit der Abgrenzung des Reichsgerichts in 
Einklang zu bringen; denn „dasWesen des Paktierens besteht nach der Ansicht 
des Reichsgerichts darin, daß dem andern die Freiheit seiner Entschließung 
gewahrt bleiben soll; d. h. das Paktieren, der Vergleichsvorschlag ist nicht 
freiheitsbeschränkend‘“‘, und nach der Auffassung des Verfassers ist ja die Er-
	        
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