Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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derselben Art wie die Normen der Sittlichkeit, der Logik usw. (8. 7), „von allem 
geschichtlich Gegebenen unabhängig und gerade deshalb für die wissenschaft- 
liohe Betrachtung solchen Rechtsstoffs unentbehrlich“ (S. 4). 
: >» BINDER vergleicht nun den „Rechtsbegriff‘‘ Kants und STAMMLERSs. 
Er zeigt, daß bei KAT selbst der ‚„‚Rechtsbegriff““ zu Unrecht die doppelte 
Aufgabe erfülle, „das konstitutive Moment der empirischen Rechtsbegriffe und 
zugleich das Bewertungsmaß für alles positive Recht zu sein‘ (S. 6), da er wohl 
die erste, aber niemals die zweite Aufgabe lösen könne, weil die fraglichen Nor- 
men formale Bewußtseinsfunktionen seien, die als solehe notwendigerweise 
inhaltlich leer seien (8. 7) und nicht als idealeVorbilder, wie KANT es sich gedacht 
habe, dienen könnten. Diese Aufgabe vermöchten auch die sog. transzendentalen 
Ideen als Vorstellungen von Gegenständen, die in keiner Erfahrung angetroffen 
werden können, nicht zuerfüllen. Wohl aber könnten sie die zweite Aufgabe, 
wie sie BINDER verstehe, sehr gut erfüllen, indem sie nur den allgemein gülti- 
gen Beurteilungsmaßstab abgeben, wobei nicht ein empirischer Inhalt mit 
einem inhaltlich gestalteten Vorbild verglichen, sondern nur eine ursprüngliche 
Funktion des Bewußtseins, die keinen vorgestellten Inhalt hat, bei der Aussage, 
was reoht ist, betätigt würde (S. 8£.). 
Auch bei STAMMLER findet sich die Unterscheidung zwischen Rechtsbe- 
griff und Rechtsidee. STAMMLERS Rechtsbegriff als „unverletzlich selbstherrlich 
verbindendes Wollen‘ weist BINDER schon deshalb zurück, weil es an jedem 
Beweise fehle, daß das Recht überhaupt ein Wollen sei; jedenfalls könne aber 
das Wollen nur das materielle Element sein, das auf empirischem Wege ermittelt 
werden könne (S. 57£.) und zu dem ein anderes, konstitutives oder formales 
Element hinzutreten müsse, das uns ermöglicht, dieses Wollen als ein recht- 
liches zu bestimmen (S. 58). Zu der Erfahrung müsse ein aprioristischer Faktor 
hinzutreten, die Norm des Rechts, die dazu diene, einen geschichtlich gegebenen 
Stoff als Recht zu bestimmen (S. 59). Diese Norm sei nicht die Idee des Rechts, 
die nur die vorgestellte vollkommene Uebereinstimmung eines Gegenstandes 
mit seiner Norm darstelle, könne aber mit diesem Vorbehalt als gleichwertig 
behandelt werden. Soweit STAMMLER seinem ‚reinen Rechtsbegriff‘‘ die kon: 
stitutive Funktion zuweise, sei dieser entweder formal und aprioristisch — was 
aber BINDER bestreitet — und umfasse dann auch die Rechtsidee, oder er sei 
cmpirisch, dann nicht von andern empirischen Rechtsbegriffen verschieden 
und außerstande, die konstitutive Funktion zu erfüllen. 
Von diesem tiefgehenden Unterschiede aus überprüft BINDER die gesamten 
Ergebnisse STAMMLERs als ebenbürtiger Gegner. 
Vor allem gelangt er von seinem Standpunkt aus zu seiner Begriffsbe- 
stimmung des Rechts: alles, worin die apriorische Norm des Rechts oder die 
Rechtsidee funktioniert, ist Recht; alle Einrichtungen, die auf die Rechts- 
idee zurückgeführt werden können, sind rechtliche Einrichtungen (S. 60). Dieser 
Bechtsbegriff sei nicht dasselbe wie ‚‚das Wollen‘ STAMMLERs und verschieden
	        
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