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derselben Art wie die Normen der Sittlichkeit, der Logik usw. (8. 7), „von allem
geschichtlich Gegebenen unabhängig und gerade deshalb für die wissenschaft-
liohe Betrachtung solchen Rechtsstoffs unentbehrlich“ (S. 4).
: >» BINDER vergleicht nun den „Rechtsbegriff‘‘ Kants und STAMMLERSs.
Er zeigt, daß bei KAT selbst der ‚„‚Rechtsbegriff““ zu Unrecht die doppelte
Aufgabe erfülle, „das konstitutive Moment der empirischen Rechtsbegriffe und
zugleich das Bewertungsmaß für alles positive Recht zu sein‘ (S. 6), da er wohl
die erste, aber niemals die zweite Aufgabe lösen könne, weil die fraglichen Nor-
men formale Bewußtseinsfunktionen seien, die als solehe notwendigerweise
inhaltlich leer seien (8. 7) und nicht als idealeVorbilder, wie KANT es sich gedacht
habe, dienen könnten. Diese Aufgabe vermöchten auch die sog. transzendentalen
Ideen als Vorstellungen von Gegenständen, die in keiner Erfahrung angetroffen
werden können, nicht zuerfüllen. Wohl aber könnten sie die zweite Aufgabe,
wie sie BINDER verstehe, sehr gut erfüllen, indem sie nur den allgemein gülti-
gen Beurteilungsmaßstab abgeben, wobei nicht ein empirischer Inhalt mit
einem inhaltlich gestalteten Vorbild verglichen, sondern nur eine ursprüngliche
Funktion des Bewußtseins, die keinen vorgestellten Inhalt hat, bei der Aussage,
was reoht ist, betätigt würde (S. 8£.).
Auch bei STAMMLER findet sich die Unterscheidung zwischen Rechtsbe-
griff und Rechtsidee. STAMMLERS Rechtsbegriff als „unverletzlich selbstherrlich
verbindendes Wollen‘ weist BINDER schon deshalb zurück, weil es an jedem
Beweise fehle, daß das Recht überhaupt ein Wollen sei; jedenfalls könne aber
das Wollen nur das materielle Element sein, das auf empirischem Wege ermittelt
werden könne (S. 57£.) und zu dem ein anderes, konstitutives oder formales
Element hinzutreten müsse, das uns ermöglicht, dieses Wollen als ein recht-
liches zu bestimmen (S. 58). Zu der Erfahrung müsse ein aprioristischer Faktor
hinzutreten, die Norm des Rechts, die dazu diene, einen geschichtlich gegebenen
Stoff als Recht zu bestimmen (S. 59). Diese Norm sei nicht die Idee des Rechts,
die nur die vorgestellte vollkommene Uebereinstimmung eines Gegenstandes
mit seiner Norm darstelle, könne aber mit diesem Vorbehalt als gleichwertig
behandelt werden. Soweit STAMMLER seinem ‚reinen Rechtsbegriff‘‘ die kon:
stitutive Funktion zuweise, sei dieser entweder formal und aprioristisch — was
aber BINDER bestreitet — und umfasse dann auch die Rechtsidee, oder er sei
cmpirisch, dann nicht von andern empirischen Rechtsbegriffen verschieden
und außerstande, die konstitutive Funktion zu erfüllen.
Von diesem tiefgehenden Unterschiede aus überprüft BINDER die gesamten
Ergebnisse STAMMLERs als ebenbürtiger Gegner.
Vor allem gelangt er von seinem Standpunkt aus zu seiner Begriffsbe-
stimmung des Rechts: alles, worin die apriorische Norm des Rechts oder die
Rechtsidee funktioniert, ist Recht; alle Einrichtungen, die auf die Rechts-
idee zurückgeführt werden können, sind rechtliche Einrichtungen (S. 60). Dieser
Bechtsbegriff sei nicht dasselbe wie ‚‚das Wollen‘ STAMMLERs und verschieden