Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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sich seine Aufgabe also in erster Linie als Begriffsanalyse, die im Gemenge 
der überreich erwachsenen menschlichen Organisationsformen wenn möglich 
klare Grenzmarken schaffen möchte. Wir müssen uns hier auf die Haupt- 
termini: Nation, Volk, Staat beschränken. Sie gehören ja zu den von der 
Wissenschaft am häufigsten erörterten. 
S. hält die gewöhnlich hervorgehobenen ‚‚Elemente‘‘ des Begriffs Nation 
als da sind: gemeinsame Abstammung (Rasse), Charaktereigenschaften, 
Sprache oder Kulturgemeinschaft nicht für charakteristisch. Die Hauptsache 
sei ‚„‚die geschichtliche Entwicklung oder anders ausgedrückt, die Schicksals- 
gemeinschaft“. Diese Auffassung des Problems, im Sinne REnANns, ist in 
der Tat gegenwärtig die herrschende. ‚Unter Nation verstehen wir daher 
eine aus mehr oder weniger gleichartigen, zum mindesten aber assimilations- 
fähigen Elementen vom Schicksal bis zur Kultur- und Spracheinheit zusammen- 
geschweißte Menschenmasse.‘ (S.6). Dabei ist Schicksal: ‚Fügung und Führung 
durch einen über den Geschicken waltenden Gott.“ Mit dieser transzenden- 
ten Ablenkung der Frage nach der Entstehung der Nation (ebenso übrigens 
bei „Volk“ und ‚‚Staat‘‘) verläßt S. das Gebiet des Staatsrechts. 
Ferner: ‚‚Hebt sich einmal ein großer Kulturverband so stark von allen 
anderen ab, daß alle Kulturunterschiede . . . .. soweit sie innerhalb seiner 
Grenzen bleiben, hinter denen, die ihn von anderen Kulturverbänden trennen, 
zurücktreten und selbst das Bewußtsein verschiedener Abstammung nicht 
mehr gegen ihn aufkommen kaun, so sind jene, die er umschließt eine Nation“. 
S. 40). Und an dritter Stelle: (Die fünf Kapitel des Buches sind zu verschie- 
denen Zeiten entstanden, Wiederholungen daher nicht selten.) ‚Die eigent- 
liche Wurzel (neben jener oben erwähnten causa remota!) hat die Nation... . 
nicht in der Stammes-, sondern in der Lebensgemeinschaft, sie ist nicht physio- 
logisch, sondern biologisch zu verstehen‘ (78) d. h., wie S. in der Note im An- 
schluß an den deutschen gelehrten Sprachgebrauch erläutert, nicht im Sinne 
der „inneren‘‘, (gemeint ist: die gemeinsame (?) Abstammung, die ähnliche 
organisch-leibliche Struktur), sondern der „äußeren Lebenstätigkeiten“ 
Man kann nicht sagen, daß dies — formal — eine glückliche Umschreibung 
für das Wesen des ‚„Kulturverbandes“ ist. Auch der schwedische Staatsrechts- 
lehrer KIELLEN lehnt die physiologische (in seiner Sprache ‚‚genealogische“, 
vgl. „Der Staat als Lebensform“, Hirzel 1917) Deutung ab und „sieht die 
Lösung des Nationalproblems im biologischen Gesichtspunkt“, aber dabei 
wird für ihn die Nation zu einem ethnisch-potenzierten Individuum mit der 
ganzen Fülle geistig-sinnlicher Eigenschaften des Einzelmenschen, also mit 
eminent innerlichen Qualitäten, wie sie ja auch S. sonst als essentiale des 
Nationbegriffs betont. 
Die nahe Verwandtschaft zwischen ‚‚Nation‘“ und ‚Volk‘ ist bei allen, 
die über ihr Wesen nachgedacht haben, ersichtlich. Auch 8. bejaht sie, will 
aber den Unterschied darin finden, daß „zum Begriff des Volkes das Merkmal
	        
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