Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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ten, die vermitteln wollten, befanden sich nun einmal im Lager des russischen 
Gegners, und Italien kannte man als einen unzuverlässigen Bundesgenossen. 
So fürchtete Oesterreich-Ungarn offenbar, daß es bei der politischen Stellung 
der Majorität nicht zu seinem Rechte kommen würde. Auch bestand den 
Genossen der Entente gegenüber, so fügt der Autor hinzu, im Deutschen Reich 
wie in Oesterreich-Ungarn eine starke Erbitterung. Man glaubte, bei den diplo- 
matischen Kämpfen der letzten Jahre sein Recht nicht gefunden zu haben. 
In Deutschland galt das namentlich in bezug auf den Ausgang der Marokko- 
affäre, in Oesterreich-Ungarn in bezug auf die Entwicklung der Dinge auf dem 
Balkan, wo der von Rußland begünstigte unruhige serbische Nachbar, dem 
politischen Einfluß der Donaumonarchie ganz entzogen, sein Staatsgebiet 
hatte verdoppeln können, während den Zentralmächten die unmittelbare 
Verbindung mit der Türkei genommen war. 
Ich habe diese Ausführungen in extenso und fast wörtlich wiedergegeben, 
um deutlich zu machen, wie vorsichtig der Autor die Ereignisse abwägt und 
wie redlich er bemüht ist, allen Parteien Verständnis entgegenzubringen und 
gerecht zu werden. 
In der Folge wird das ganze Drama in all seinen Thesen aufgerollt. Es 
wird mit viel Lebendigkeit und Kunst geschildert. Die Darstellung ist so 
fesselnd, daß man sich nicht von ihr trennen kann. Man lebt dermaßen in 
den Ereignissen, daß man zuweilen beim Lesen des Buches durch eine selt- 
same Illusion die Hoffnung hat, es möge sich noch alles zum Guten wenden. 
Sehr anziehend ist die psychologische Betrachtung der Gründe, die Ruß- 
land zur Gesamtmobilisation und das Deutsche Reich zur Kriegserklärung 
geführt haben. Eine endgültige Lösung kann der Verfasser nicht geben. Aber 
seine Hypothesen sind äußerst fein und verraten einen tiefen Kenner der 
diplomatischen und Völkerpsychologie unserer Tage. 
Im letzten Kapitel entwickelt der Verfasser seine Vorschläge zur Reform. 
Die Beilegung des Weltkrieges, so folgert er aus seinen Betrachtungen, ist 
daran gescheitert, daß ein unparteiisches Forum für die Vermittlung fehlte. 
Es muß also geschaffen werden. Jeder Staat soll gezwungen sein, vor ihm 
einen gütlichen Ausgleich zu versuchen, bevor er zu den Waffen greift. Diese 
Behörde soll neben dem internationalen Schiedsgericht arbeiten, und ein 
Weltfriedensbund soll mit diplomatischem und wirtschaftlichem und mili- 
tärischem Zwang dafür einstehen, daß jeder Konflikt ihrem Gutachten unter- 
breitet wird. Diesen Gedanken spinnt SCHÜCKING weiter in seinem neuen 
Buch: 
„Internationale Rechtsgarantien. Ausbau und Siche- 
rung der zwischenstaatlichen Beziehungen“. 1918. 
Bei Broschek & Co. 
Ich möchte das Werk von ScHÜCKING mit einem kurzen Wort charak- 
terisieren, welches deutlich macht, daß sich jeder ernst Denkende mit ihm
	        
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