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nennen darf! — zureproduzieren und kritisch zu beleuchten. Vielmehr werden
dem Leser einige Stichproben genügen, um zu erkennen, wes Geistes Kind der
Autor ist. Diese Stichproben können ihm jedoch nicht erlassen werden. Denn
obwohl der Referent zwar das ‚‚fortiter in re, suaviter in modo“ als Leitspruch
für den kritischen Rezensenten im allgemeinen gelten läßt, ist er in Ausnahme-
fällen wie dem vorliegenden der Meinung, daß ein starkes Stück ein starkes
Wort verdient. Da er daher nicht gesinnt ist, dem Verfasser gegenüber das
„suaviter in modo“ gelten zu lassen, ist er genötigt, zu-seiner Rechtfertigung
etwas — und zwar das Stärkste — aus dem Buche anzuführen. Doch wäre
es andererseits ein Mißbrauch der ihm von der Redaktion gewährten Gast-
freundschaft und — insbesondere bei dem heutigen Papiermangel — eine
unverantwortliche Papiervergeudung, wenn er mehr als das Allernötigsta
anführen wollte.
Schon der Titel des Buches verblüfft. Die von ihm in Aussicht gestellte
„Analyse des Rechts‘ soll in einer „Beschreibung der Rechtsdinge auf Grund
der Psychophysiologie des Organismus‘ bestehen. Was sich der Verfasser
unter diesem Monstrum ungefähr vorstellt, geht aus dem philosophischen
Proömium hervor, welches der Autor glücklicherweise seiner Analyse voraus-
geschickt hat. Ich sage: glücklicherweise, weil der Autor, wie er gleich eingangs
mitteilt, geschwankt hat, „oberdas. .. . Einleitungskapitel als Einleitungs-
kapitel belassen oder ein selbständiges Buch daraus machen sollte“. Wäre näm-
lich das Proömium unterdrückt worden, so hätte der Leser relativ mehr Arbeit
gehabt, bevor er die geistigen Qualitäten des Verfassers durchschaut hätte
Denn das Proömium enthält zweifellos das Stärkste, was sich der Autor ge-
leistet hat, ja es finden sich darin Stellen vor, die direkt an Wahnsinn grenzen.
Es zerfällt in zwei Kapitel, von denen das erste ‚Vom logischen Denken und
den metaphysischen Dingen‘, daß zweite „Etwas über den Wert der Rechts-
lehren, nebst einem Blütenstrauß aus dem Garten der Rechtswissenschaft“
bstitelt ist. Auch das Sendschreiben ‚‚An den Leser‘ ist unbedingt lesens-
wert. Darin versichert vor allem der Autor, daß er sich folgendes nicht nehmen
lasse: ‚„‚mehr wissenschaftlich, mehr vom Drange nach objektiver Wahrheit
erfüllt ist nie ein Werk geschrieben worden“. Trotzdem erklärt er gleich weiter
in unglaublicher Bescheidenheit, daß er in dem (437 Seiten langen!) Buche
„niemals eine Meinung oder Ansicht geäußert haben will, sondern nur etwas
gesehen haben möchte“. Hier stoßen wir also bereits auf die durchaus
originelle und grundlegende Antithese: Sehen — Denken. Bisher war man
der naiven Ansicht, daß das Denken recht eigentlich das Hauptgeschäft der
ı Es schließt mit dem Satze: ‚‚Nun ziehe dieses Werk hinaus als ein
gieriger Funke, der die alten Gebäude jahrhundertelangen Irrtums in Flammen
aufgehen lasse, zur glühenden Leuchte allen, welche den Weg zur Wahrheit
suchen“ (Seite 53).