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Ist das möglich? Am Ende doch.
Der Staat hat kein Jenseits. Es käme also nur eine zeit-
liche Vergeltung in Betracht, die an ihm geübt würde. Freilich
stehen wir vor der Tatsache, daß die Erfahrung keineswegs einen
solchen allgemeinen Zusammenhang lehrt zwischen schlechtem
Verhalten und späterem Mißgeschick °®. Es käme vielmehr dar-
auf an, daß nach der besonderen Art des begangenen Unrechts
in diesem selbst ein Keim des Unheils liegt für den, in dessen
Dienst es sich gestellt hatte.
Ist das nicht ganz offenbar hier der Fall? Daß ein Staat
durch das Unrecht, das er in seinen Beziehungen nach außen
begeht, sich unbeliebt macht und Mißtrauen bei den anderen erregt,
wäre so hoch nicht zu achten: das besorgen ihm die feindlichen
Druckereien und Redereien auch ohnedies, er mag tun, was er
will. Wohl aber bedarf er, auf der Entwicklungsstufe wenigstens,
auf der unsere bedeutenderen Staaten alle stehen, unbedingt der
lebendigsten Gerechtigkeit zur Ueberbrückung und Ungefährlich-
machung all der feindseligen Massengegensätze, die innerhalb
seiner eigenen Ordnung und seines Volkes bestehen‘. Der Ge-
genstand der Gerechtigkeit ist hier ein anderer als beim Völker-
recht, ihr Wesen das gleiche, und der Geist, der sie trägt, über-
Lebens knüpfen. Das treflliche Büchlein: „Ob ein Kriegsmann auch in seli-
gem Stande sein könne“, löst sie für uns nicht. Die Kirche tut wohl dar-
an, hier der menschlichen Schwachheit Raum zu geben. Sie hält in die-
sem Kriege überall zu ihrem Volke. Wenn ein einzelner auf eigne Faust
es übernimmt, im Namen der absoluten Gerechtigkeit öffentliche Urteile
über das Geschehende abzugeben, so bedarf er schon eines starken inneren
Haltes, um nicht der Gefahr zu unterliegen, daß er, um sich für solches
Amt zu legitimieren, gegen sein eigenes Volk parteiisch wird, wofür er
dann beim Feinde Lobsprüche bezieht und innerliche Verachtung.
5° RÜMELIN, Reden und Aufsätze S. 183, erinnert hier: „Das Gesetz
der Vergeltung (ewige Gerechtigkeit) beherrscht nicht den Weltlauf.* Dar-
über hat aber bekanntlich schon Hiob sich schwere Gedanken gemacht,
ohne zu dem, von dem frommen Menschen — menschlicherweise! — er-
sehnten Ergebnisse zu gelangen.
° Vgl. oben IV a. E.
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