Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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Rachtsbeziehungen nach nicht maßgeblichen, auf eigene Verantwortung 
selbstgefällten Entscheidungen zu gestalten. Es kommt aber letzten Endes 
nicht auf sein, sondern des Richters Werturteil an! Solche Werturteile, wie 
z. B. über die Böswilligkeit einer Unterlassung, über die Erheblichkeit einer 
Gebrauchsbeeinträchtigung, sind nun individuell außerordentlich schwankend. 
Daher befindet sich die Partei in einer recht prekären Lage. Soll sie den unge- 
wissen Prozeß riskieren oder nicht ? Wer will und kann ihr zu- oder abraten ? 
Hier liegt in der Tat ein brennender Notstand der Rechtsausübung vor. Und 
gerade da, wo das Wirtschaftsleben die größte Sicherheit verlangt, sind die 
Fälle solcher „‚riskanten Rechtsausübung‘‘ am häufigsten. Hier setzt der Re- 
formvorschlag HoENIGERs ein. Wo die Ausübung von Gestaltungsrechten 
oder ein sonst rechtlich erhebliches, die künftige Rechtslage beeinflussendes 
Verhalten von Werttatbeständen abhängt, soll für die Feststellung dieses 
Werturteils innerhalb der rechtlichen Grenzen ein Organ unserer Rechtspflege 
geschaffen werden, das durch autoritative Willensentscheidung innerhalb 
der schwankenden Wertgrenze das Urteil unanfechtbar zu fällen hat. Der 
Verfasser verbreitet sich im einzelnen über Tätigkeitsbereich, Einrichtung 
und Verfahren des neuartigen Justizorgans. Sein Vorschlag verdient auf- 
merksamste Beachtung und ernstliche Erwägung. Es unterliegt wohl keinem 
Zweifel, daß durch eine solche Neuerung viele Unsicherheiten und manches 
Risiko behoben werden, somit ein nioht unbeträchtlicher Teil unserer Klagen 
über die Rechtspflege verstummen würde. 
Im Felde. Friedrich Giese. 
Abhandlungen des Hamburger Kolonialamts Band 5. Die Verfassungs- 
entwieoklung von Algerien. Von Dr. Hans Gmelin. Mit 
einem Anhang: Gesetzestexte und Entwürfe. Hamburg. L. Friederioh- 
sen & Co. 1911. XL und 453 und 115 S. Lex. 8°. 
Der Ausbruch des Weltkrieges und dann ganz besonders die Verkündung 
des Heiligen Krieges durch den Sultan haben uns nach Algerien blicken lassen 
mit der Frage, ob sioh dort wieder, wie es im Jahre 1871 der Fall war, die ein- 
geborene Bevölkerung unter Ausnutzung der militäris.hen Inanspruchnahme 
Frankreichs gegen den Druck der französischen Herrschaft erheben würde. 
Wer Algerien und die Stimmung unter den Eingeborenen kennt, der wußte, 
daß genug Keime zur Unzufriedenheit noch heute dort liegen, und daß die 
Eingeborenen, die sich nach einer Vertreibung der Franzosen sehnen, seit 
dem Besuch des deutschen Kaisers in Jerusalem sich gewöhnt hatten, von 
uns Deutschen Unterstützung bei der Auflehnung zu erhoffen, von der sie 
träumen. Allein nichts ist geschehen. Algeriens Eingeborene sterben willig 
für Frankreich. Algeriens Pferde ersetzen die Verluste der französischen 
Kavallerie und Artillerie. Algeriens Getreide und Wein versorgt die französische 
Armee billig. Algerische Bauern wandern nach Frankreich, um dort an Stelle
	        
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