Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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neuere Wünsche der algerischen Franzosen nach einer noch ausgesprocheneren 
Selbstverwaltung erwähnt. — Das Budgetwesen wird von GMELIN für ver- 
schiedene Entwickelungstufen sehr eingehend behandelt, aber „die finan- 
zielle Entwickelung bleibt ganz außer Betracht‘ (S. VIII), so daß auch dabei 
der Eindruck unwissenschaftlicher Oberflächlichkeit, nämlich eines unkriti- 
schen Arbeitens nur aus zweiter Hand, hervorgerufen wird. Mit derartigen 
Mitteln kann die Frage der Zweckmäßigkeit unmöglich gelöst werden. Der 
juristischen Dogmatik aber wird ebensowenig gedient; denn auch formale 
Gesetzgebungstechnik haben wir doch längst gelernt, nur an der Verfassungs- 
geschichte solcher Länder zu studieren, deren politische und wirtschaftliche 
Bedürfnisse wir zu übersehen vermögen. Zu diesen Ländern gehört Algerien 
nicht. Es mögen kaum ein Dutzend Deutsche leben, die den großen Atlas 
und die Sahara südlich von Tugurt auch nur als Touristen durchstreift und 
nicht sehr viel mehr, die sich indirekt über die Zustände in diesen wichtigen 
Gebieten einigermaßen orientiert haben. Was kann da der Ueberblick über 
die Staatsfinanzen und Grundgesetze ohne eine kultur- und wirtschaftsge- 
schichtliche Einführung nützen ? 
Wenigstens für das Ergebnis der Verfassungsentwicklung, den heute 
geltenden Verfassungszustand, sollte man ein übersichtliches systematisches 
Bild erwarten. Aber selbst hier sind dem Autor solche Gesetze und Verord- 
nungen die interessantesten und wesentlichsten gewesen, bei denen er am 
meisten Anlaß zu abstrakten dogmatischen Erwägungen fand, und bei denen 
die Begleitumstände des technischen Zustandekommens am meisten Grund 
zu ausführlichen Berichten über die äußere Eintstehungsgeschichte, über 
Parlamentsdebatten und technische Bedenken gaben. Die materiellen Pro- 
bleme der Verfassungsentwickelung verschwinden auch im Endresultat neben 
den formellen. 
Deshalb kann sich selbst der über algerische Verfassungszustände orien- 
tierte Leser aus der Darstellung GMELINns nur schwer die fundamentalen 
Grundsätze des heutigen französischen Verfassungssystems für Algerien zu- 
sammensuchen. 
Die Verfassung unterscheidet einerseits zwischen verschiedenen Gebiets- 
zonen, die eine ausgedehnte Selbstverwaltung genießen oder aber überwiegend 
von der militärischen Gewalt abhängig sind. Andererseits kommen verschie- 
dene Bevölkerungsklassen in Frage, denen in verschiedenem Grade Teilnahme 
an der Landesverwaltung und dem Verfassungsleben gewährt ist. Dazu kommt, 
daß je nach den Materien der Verfassungsgesetzgebung die Abhängigkeit 
von Pariser Regierungsstellen und vom Pariser Parlament geringer oder größer, 
eine direkte oder nur indirekte ist. Und endlich schieben sich mancherlei 
maßgebend gewordene Gewohnheiten zwischen die Paragraphen der geltenden 
Verfassungsgesetze; also eine ungemein komplizierte, wenig übersichtliche 
Form der Verfassung. Eine praktische Folge hiervon sind fortwährende Unzu-
	        
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