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einer größeren föderalistischen Einheit mit Hilfe der Kolonien, eines ‚‚greater
Britain‘ schon in dieser Zeit, wenn z. B. der Lordprotector Verordnungen
von Reichs wegen erläßt. Und das Ziel, auf das die Bewegung zusteuern
mußte, taucht auf: Hrarington widmet Cromwell ein Buch, ,Oceana‘‘,
worin er „ein vom Meer umspültes Gemeinwesen schildert, das im Dienst
der leidenden Menschheit zur Weltherrschaft bestimmt sei“. Die
in diesen Worten liegende Verquickung irdischen Machtstrebens und reli-
giöser Opferidee verrät zugleich die große geistige Triebkraft des Puritanis-
mus, deren sich die Zeit erfreuen konnte. G. VON SCHULZE-GAEVERNITZ
hat in ihm „die geistige Urkraft des Imperialismus‘ zu finden geglaubt, ein
Urteil, das Salomon zwar abschwächt, aber nicht ableugnet, wie denn in der
Tat die von dem politisch aktivsten aller reformatorischen Bekenntnisse
ausgehenden Wirkungen dieser Art ganz bedeutend gewesen sind. Es sei
hier nur an die von MAx WEBER, RACHFAHL u. a. beleuchteten verwandten
Zusammenhänge zwischen Kalvinismus und Kapitalismus erinnert und an
die neuestens von OTTO BAUMGARTEN (Politik und Moral) betonte innere
Beziehung zwischen dem englischen ‚„Krämergeist‘“‘ und dem puritanischen
Berufsideal. — Einen dritten Abschnitt in der Geschichte des Imperialismus
bildet die Freihandelsära. Nachdem der Entscheidungskampf mit
Napoleon zugunsten Englands (von anderen, wie S. mit Recht bemerkt) aus-
gefochten war, gab es für den Inselstaat keinen gefährlichen Gegner mehr;
die ungeheure Spannung löst sich, eine Zeit ungestörter Expansion folgt. Die
echten Manchesterleute können von einem Welthandelsreich träumen, dessen
Monopole in englischer Hand sind, ohne daß es politischen Zusammenschlusses
bedarf. Cobden will die Beziehungen zu den Kolonien allmählich gelockert
wissen (er erklärt, daß der Besitz Indiens ‚‚den Nationalcharakter zerstöre und
demoralisiere‘“‘), ein Rigorismus, den die damalige liberale Regierung aller-
dings ablehnte. Schon in der voraufgehenden Periode ist das imperialistische
Problem zur Parteisache geworden. S. unterscheidet einen konservati-
ven Imperialismus der ausgesprochenen Kolonialfreundschaft und strafferen
Reichsgestaltung und einen liberalen, weniger auf verfassungsrechtliche
Institutionen als auf gefühlsmäßigen Zusammenhalt gestellten, die rein wirt-
schaftlichen Beziehungen pflegenden Imperialismus. Diese Trennung knüpft
er an die Persönlichkeiten Lord Chathams und Burkes, deren bedeut-
samer Einfluß auf die innere Parteigeschichte von ihm schon in seiner wert-
vollen Biographie des jüngeren Pitt dargelegt worden war. — Der moderne
Imperialismus seit 1870 bringt für beide Ssrömungen eine Bereicherung ihres
Programms, indem sowohl die Liberalen (Lord Rosebery) als die Konserva-
tiven (Chamberlain) den Gedanken der Ausdehnung vertreten. Die Zeit
des „greater Britain“ war gekommen. Die Konservativen gingen weiter:
sie erkannten, daß neben der extensiven eine intensive Bewegung einsetzen
müsse; der föderative Zusammenschluß des englischen Weltreichs ist die