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geber der Krone. Bsi den Beratungen des Kabinetts ist der Herrscher nicht
zugegen. Das Kabinett wurde im 19. Jahrhundert einheitlich und solidarisch.
Schließlich hat sich auch noch eine Verengerung des Kabinetts vollzogen.
Die Zahl der die letzten und wichtigsten Entscheidungen treffenden Minister
ist sehr gering. Das Kabinett ist nicht nur von dem König, sondern auch von
dem Parlament schließlich unabhängig geworden. Beim Kabinett liegt fast
ausschließlich die gesetzgeberische Initiative. Auch die überwachende und
verwaltende Tätigkeit des Parlaments ist stark beschränkt worden. Der
entscheidende Faktor ist die Wählersohaft. Absolutistisch ist diese Regierungs-
weise nicht, wie Verf. meint, wohl aber oligarchisch, mit der Unterlage brei-
tester Demokratie. In Deutschland gibt es keine Scheinmonarchie wie in
England, auch kein Zweiparteiensystem. Die Vielheit der Parteien sichert
dem Monarchen die Möglichkeit, mit Hilfe seiner Beamtenregierungen über
den Parteien zu stehen. Bei uns kann sich auch die kontrollierende Tätigkeit
viel lebendiger gestalten. Gegen die Besetzung von Ministerstellen durch
Parlamentarier hat Verf., bei vorsichtiger Auswahl und möglichster Vermei-
dung des Ueberwiegens von Berufspolitikern, auch für deutsche Verhältnisse,
wenn ich ihn recht verstehe, nichts einzuwenden. Die Beamten lassen zu-
weilen die staatsmännischen Eigenschaften vermissen, so daß die Bewährungs-
und Auswahlmöglichkeiten verbessert werden können. Das englische Muster
ist abzulehnen, Auffrischung und Weiterbildung unserer staatlichen Ein-
richtungen ist dagegen zu befürworten. Das ist im ganzen sicherlich der zu-
treffende Standpunkt für alle, die, jedem unnatürlichen Umsturz abhold,
eine organische Weiterentwicklung der deutschen öffentlichen Verhältnisse
wünschen und unseren Staat nach den Erfahrungen und Notwendigkeiten
des Weltkrieges in behutsamer Weise, konservative Beharrung mit vernünf-
tigem Fortschritt verbindend, ausgestalten wollen. Verf. gibt an, daß er die
Schriften von ERICH KAUFMANN, Bismarcks Erbe in der Reichsverfassung,
FERDINAND TÖNNIES, Der englische Staat und der deutsche Staat und Pı-
LOTY, Das Parlamentarische System, sämtlich 1917, nicht mehr benutzen
konnte. Das ist schade. Meine Kenntnis dieser Veröffentliohungen’ gestattet
aber die Vermutung, daß die Verwertung dieser Arbeiten zu grundsätzlichen
Aenderungen keinen Anlaß gegeben hätte. Die Schrift HÜBNERSs ist in leb-
hafter Sprache gehalten, klar und plastisch. Sie wird in ihrer objektiven Ruhe
vielen, politischer Orientierung Bedürftigen, die besten Dienste leisten.
Cöln. - Professor Dr. Stier-Somlo.
Fleischmann, Dr. Max, ord. Professor an der Universität Königsberg i. Pr.
Tarifabreden in Straßenbenutzungsverträgen.
Grenzen ihrer Reohtswirksamkeit ($$ 6 und 14 preuß. Kleinbahngesetz).
Berlin 1917, Verlag von Franz Vahlen, 63 S. — Preis Mk. 2.—.
Die Abgabepflicht für Straßenbahnen nach dem Gesetze vom 4. April