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halb huldigen wir nicht auch der schönen Göttin dieser eng-
lischen Freiheit, statt uns mit zwei so häßlichen und grundschlechten
Menschen abzugeben wie der Tory und der Radical, jeder nach
des andern lebensgetreuer Schilderung, es doch sind?
Darauf ist die Antwort —, und diese Antwort ist für mich
ebenso einfach wie es für WHITE einfach ist, daß KATHARINA
von MEDIC1 die fleischgewordene Machiavellische Theorie war — :
weil ich die beiden häßlichen, aber höchst lebendigen und für
ihre zweihundert und etliche Lebensjahre äußerst rüstigen Men-
schen überall sehe, wohin ich in England komme; die schöne
Göttin aber zeigt sich nur in dichten Schleiern, und wer weiß,
ob die Werke einer doch recht akademischen Bildhauerkunst, in
denen sie auf Bauten und Plätzen, in Kirchen und Hallen ver-
ewigt ist, nach der Natur geformt wurden, oder nach den Schablonen
des Zeichensaals? Ich habe sie gesucht, die Göttin; da man ihr
nicht wohl ansinnen kann, sich im Schmutz und Elend des Alltags
zu zeigen, bin ich zu den großen Staatsaktionen gegangen, die
im englischen Weltreich sich in den letzten fünf Jahren zuge-
tragen haben, und dachte sie als Königin der Feste, über den
weltlichen Fürsten und Ständen, hoch ob allem Volk zu erblicken.
Aber ich habe sie nieht gesehen, zum ersten, zum zweiten und zum
dritten Male nicht.
Das erstemal im Jahr 1909, als die liberale Regierung ihren
größten moralischen Erfolg feierte, vor dem auch die Gegner
verstummten: bei der Verleihung der eigenen Verfassung an das
geeinigte Südafrika. In der South African Constitution Act selbst
ist wohl eines der Standbilder zu Ehren der parlamentarischen
Regierung aufgerichtet, an denen das englische Weltreich keinen
Mangel hat?; feierlich sind die Embleme der Autonomie und der
* Die südafrikanische Verfassung gibt vom parlamentarischen System
nur in einer kleinen Nebenbestimmung ausdrücklich Kunde, dem dritten
Satz der sect. 14: „After the first general election of members of the House
of Assembly... no minister shall hold office for a longer period than