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regel, deren Folgen heute noch unübersehbar sind, in der die
leidenschaftliehsten Kämpfe der Religionen und Rassen des östlichen
Indien eine schroffe und äußerliche Erledigung finden, als strenges
Geheimnis zwischem dem Vizekönig, einigen Ministern, dem
Staatssekretär und dem König selbst gewahrt worden. Das Par-
lament erfuhr aus den Zeitungen von ihr; eine nachträgliche
Besprechung ergab, daß heftige Widerstände, aber auch ernste
sachliche Bedenken wenigstens im Oberhaus sich gegen den Plan
erhoben, ihn vielleicht in mancher Einzelheit modifiziert hätten.
Nun war es dafür zu spät. Wer hätte das Wort des Königs,
den Fürsten und dem Volk von Indien vom Thron herab gegeben,
zu drehen und zu deuten, die Majestät zu desavouieren gewagt?
Und zum dritten: als die tausendjährige Verfassung, oder
die fünfhundertjährige, wenn man vom Aufkommen des Uhnter-
hauses an rechnet, oder die achtzigjährige, von der Reformbill an
gezählt, gestürzt, und das Oberhaus aus einer gesetzgebenden
Versammlung in eine bloß konsultative verwandelt wurde, wo
war das parlamentarische System? Kühle Kritiker sprechen
davon, daß die Parliament Bill diesem System den Todesstoß
gebe —, aber wenn es noch gelebt hätte, so hätte ihm wahr-
scheinlich ein vom Parlament selbst gegebenes Gesetz nicht viel
anhaben können.
Was aus dieser Verfassungskrisis übrig geblieben ist, das
stammt von der parlamentarischen Regierungsform nicht ab. Die
künstliche Stärkung der Kabinettsherrschaft während der ominösen
zwei Jahre, die zwischen der Annahme eines dem Oberhaus nicht
genehmen Gesetzes im Unterhaus und seiner Gesetzeskraft liegen
müssen, das beständige Spielen mit dem Feuer des Referendums
oder wenigstens des „Mandats“, das der Wähler seinem Depu-
tierten für bestimmte Gesetze gebe, und schließlich die Statuierung
des Pairsschubs oder doch seiner Androhung als eines Verfassungs-
artikels, das sind die nächsten Früchte, an denen man die Par-