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lamentsbill erkennen muß’. Sie sind aber Früchte des Todes
für das parlamentarische System, und wenn der englische Staat
? Hierüber ausführlich meine Abhandlungen im Jahrbuch des öffent-
lichen Rechts III 139 fgde. und VI 404 fgde. besonders S. 436 fgde., in der
Zeitschrift für Politik 4!fgde., in Handbuch der Politik I 40!fgde. Das
„Spielen mit dem Feuer des Referendums‘“, von dem im Text die Rede ist,
hat sehr rasch aufgehört, da offenbar auch die Leute der Opposition um
jeden Preis eingesehen haben, daß dem englischen Wähler bei seinem gäuz-
lichen Mangel an Sachlichkeit die Abstimmung über einen Gesetzesvor-
schlag nicht zugemutet (oder, richtiger gesagt, zugetraut) werden könne.
Wohl aber ist durchaus wahr geworden, was ich a. a. O. 8. 436 über die
Folgen der Parliament Act geschrieben habe: „Ein Dreifaches läßt sich
heute schon beobachten und feststellen. Erstens sind die Schwierigkeiten,
die aus der Einsetzung eines geschriebenen Teilverfassungsgesetzes in die
ungeschriebenen Regeln der englischen Staatsgewalt sich ergeben haben
und künftig ergeben werden, eher unter- als überschätzt worden, wenn
man aus ihnen allein schon dem praktischen Wirken der Vetobill Unheil
prophezeite. Zweitens rächt sich der Staatsstreichcharakter, den diese
Verfassungsänderung materiell, wenn auch vielleicht nicht in aller Form,
in sich trägt, trotz aller Gleichgültigkeit des Engländers gegenüber staats-
theoretischen Erwägungen doch, und vielleicht rächt er sich an der Re-
gierung am allerwirksamsten dadurch, daß er ihre getreue Opposition verdirbt,
die natürlicherweise fortan bestrebt sein muß, diese gewaltsame Aenderung
durch gewaltsamere zu übertrumpfen und schließlich den Staatsstreich,
wenn es nicht anders geht, in Permanenz zu erklären. Drittens aber wird,
wenn wirklich der letzte Zweck der Regierung nicht Parteivorteil, sondern
Stärkung des Repräsentativsystems war, dieser Zweck nicht erreicht wer-
den, — wenigstens mit dem jetzigen Unterhaus nicht; denn dieses Haus er-
trägt die Belastung nicht, die auf einer allein herrschenden Kammer liegt,
und die heftigen Kämpfe werden unter dem neuen System aus dem Parla-
ment ins Land hinaus verlegt werden.“ Zweimal hatte die Regierung ernstlick
Gelegenheit, die Parlamentsakte anzuwenden: bei der Ablehnung der Lon-
doner Seerechtsdeklaration und bei der Ablehnung der Home Rule Bill im
Oberhaus. Im ersten Fall hat die Regierung, in der eigentlich nur der Lord-
kanzler Loreburn aufrichtig für die Deklaration eingenommen war, ihr
Recht aus der Parlamentsakte selbst kampflos preisgegeben; im zweiten
Fall hat sie darauf bestanden mit dem einzigen Ergebnis, daß die Oppo-
sition erklärte, die Parlamentsakte sei durch einen Betrug gegen den König
Gesetz geworden, die Wählerschaft solle der Regierung nur zeigen, daß sie
kein „Mandat“ für Home Rule habe, gewaltsamer Widerstand sei höchste
Bürgerpflicht: aus der Parlamentsakte entsprang zum guten Teil die „pro-
visorische Regierung“ von Ulster, die Bewaffnung der Nordiren, der Zwi-