Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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auch die Spottnamen in Schwang. Aus den irischen Sümpfen, 
d. an Gespenstern so reich sind, steigt der Tory auf, der Moor- 
läu:or, der blindlings hinter dem papistischen Herzog von YORK 
hergeht, ein Yokel, auf den der englische Whig ungefähr so hin- 
gesehen haben mag wie ein rheinpfälzisch-liberaler Reichsrat auf 
den niederbayrisch-oberpfälzischen Landtagswähler. Von da an 
kann ein König vertrieben und ein anderer eingesetzt, Schott- 
land und Irland dem Reich einverleibt und neuerdings wieder 
abgetrennt, das Parlament aus einer Notabelnversammlung in eine 
so kurz und treffend das Wesen des englischen parlamentarischen Systems 
gekennzeichnet hat, scheint damals schon genau so vor sich gegangen zu 
sein wie unter Pitt, Fox und Burke, oder unter Gladstone und Disraeli. 
Aber man muß dabei bedenken, daß diese Redner nur an ihre Gegner auf 
der andern Seite des Hauses hinsprechen, nicht aus dem Fenster hinaus 
zum Volk und nicht für die Galerie. Die Veröffentlichung der Berichte 
war aufs strengste verboten; von manchen Debatten ist wohl der Grundriß 
erhalten, aber von St. Johns (Lord Bolingbroke) Reden zum Beispiel, der 
der glänzendste Sprecher seiner Zeit gewesen sein soll, ist nichts übrig ge- 
blieben; von der Beredsamkeit des Kanzlers Cowper wissen wir aus seinen 
Gerichtsreden, während sein Wort im Parlament ebenfalls fast spurlos ver- 
hallt ist. Für den sich kreuzenden Einfluß des Hofes und der Straße sind 
besonders die Wahlen aus der Regierungszeit der Königin Anna bezeichnend. 
Von dem Einfluß, den früher die Whigs durch die Herzogin von Marlbo- 
rough, später die Tories durch Abigail Hill (Lady Masham) auf die Königin 
übten, hing die Besetzung der höchsten Staatsämter ab, die ihrerseits wie- 
der die Patronage mit sich brachten. Im einzelnen kam noch die Abnei- 
gung der Königin gegen diesen oder jenen Politiker wegen seiner Um- 
gangsformen oder seines Aussehens — wie zum Beispiel gegen Robert 
Harley in seiner späteren Zeit — und der Wettbewerb zwischen den Thron- 
anwärtern in St. Germain und Hannover dazwischen; auch die religiösen 
Gegensätze spielten mit; aber zuletzt entschied doch regelmäßig die Kam- 
merfrau, die bei der Königin in Gunst stand. Andrerseits war die Straße 
an den meisten Wahlausfällen auch sehr stark beteiligb; die Whigs machten 
sich die Volkstümlichkeit des Generals, der in ihrem Parteilager stand, zu- 
nutze, bis die Tories mit der Parole, daß eben dieser General und seine 
Offiziere nur aus Habgier den drückenden Krieg zu verlängern trachteten, 
ein wirksameres Wahlgeschrei gefunden hatten; im Jahr 1708 inszenierten 
die Whigs einen Auflauf, bei dem der Papst, der Pretender und eine Minister- 
karikatur als Strohmänner verbrannt werden sollten; 1710 benützten die 
Tories den Sacheverell-Aufruhr mit noch besserem Erfolg.
	        
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