Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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gut, wenn es denn schon so steht, und jeder Tritt, den die 
Opposition den Ministern versetzt, nur ein Mittel ist, sie noch 
fester in ihre Stellung hineinzukeilen, so ist eben für kluge 
Männer die Zeit gekommen, wo sie sich einmal in sich selbst 
zurückziehen, mit dem festen Vorsatz des Samenkorns, das in der 
Erde liegt, zum wachsen. Ruht euch auf der Natur aus, schlaft 
im festen Glauben und verlaßt euch auf die Jahreszeiten: Das 
ist mein Rat an die schwächere Partei“ '®. 
!!? Wie das Zweiparteiensystem den Krieg überstehen wird, läßt sich 
heute, im März 1918, noch nicht sagen. Eine unmittelbar aus der Kriegs- 
not entstandene Bedrohung hat es schon siegreich überstanden: die des 
Koalitionskabinetts, das die „offizielle“ Opposition ausgeschaltet und nur 
einige Außenseiter als Kritiker der Regierung übrig gelassen hatte; dieses 
Koalitionskabinett war in Wirklichkeit nicht viel mehr als ein Durchgang 
für den Wechsel zwischen Regierungspartei und Oppositionspartei ohne 
allgemeine Wahlen und ohne den äußern Anschein eines solchen Wechsels. 
Fast alle Minister des letzten rein liberalen Kabinetts sitzen heute auf der 
Frontbank der Opposition, während die meisten konservativen Oppositions- 
führer im Kabinett sitzen. Außerdem ist die Arbeiterpartei, die bei wirk- 
licher Selbständigkeit dem Zweiparteiensystem sehr gefährlich werden 
konnte, infolge des Krieges in eine sozialistisch-pazifistische Gruppe, die 
natürlich an der Opposition teilnimmt, und eine konservativ-jingoistische 
Gruppe, die umgekehrt kabinettsreif geworden ist, zerfallen; darin ist eher 
eine Stärkung des Zweiparteienwesens zu sehen. — Auch das persönliche 
Regiment des Ministerpräsidenten wird wohl nur einen vorübergehenden 
Einbruch in das Parlamentsherkommen bedeuten. Es ist gewiß beachtens- 
wert, daß er es durchgesetzt hat, vom Regelerfordernis einer längeren 
Parlamentsschulung und Parteidienstzeit bei der Besetzung der leitenden 
Stellen mehrfach ganz abzusehen, so besonders bei den Brüdern Geddes 
und dann bei den drei Zeitungsbesitzern, die allerdings dem Oberhaus ange- 
hören in ihm aber nicht hervorgetreten und nicht parteipolitisch einge- 
gliedert waren. Aber so sicher dieses: „ich nehme mir die fähigsten Leuteüberall, 
wo ich sie finde“ des Premierministers die Konventioralregel des Parla- 
mentarismus bricht und ihn selbst aufs schwerste gefährdet, so sicher 
können wir auch annehmen, daß diese Lloyd Georgesche Maxime mit ihm 
selbst fallen wird. — Ernster, weil dauernder, ist die Bedrohung, die dem 
Zweiparteiensystem durch die ungeheure Ausdehnung des Wahlrechts ent- 
steht. Ob die Parteiagenturen die Aufsicht über diese neuen Wählermassen 
wie bisher führen können, ist zum mindesten fraglich. Freilich wird auch 
gerade bei diesen neuen Wählern die Unfähigkeit zur Würdigung sach-
	        
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