Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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kommen, „ob ein Widerstandsrecht dagegen eingesetzt hat und ob es be- 
deutsam war“ (S. 107). Der Verfasser bemerkt schließlich selbst: „Diese 
Aufnahme in den Volkswillen mögen manche als eine Fiktion ansehen.“ 
Er sucht denn auch eine Abhilfe zu geben. damit die Machthaber nicht 
allzu frei mit dieser Fiktion wirtschaften könnten. und die findet er in der 
Zuständigkeit der Gerichte, dem „unrichtigen Notstandsrecht“ die Ver- 
wirklichung zu verweigern. Denn der Richter ist künftig nicht mehr 
„servus legis“, „Subsumtionsmaschine“, nicht mehr gebunden an das Ge- 
setz, was er bisher sich zur Ehre rechnete. Deshalb, meint der Verfasser, 
„beseitigen sich durch diese Zuständigkeit alle Bedenken gegen diese oder 
jene Regelung durch den Rat der Volksbeauftragten“ (S. 109). 
Hier spielt dann eine zweite Gedankenreihe herein. welcher in dieser Schrift 
eine wichtige Rolle zugewiesen ist. Der Zukunftsstaat soll „Rechtsstaat“ 
sein (was wir ja auch schon von dem der Vergangenheit verlangten). Was 
aber der Rechtsstaat bedeute. dafür ist hier maßgebend O. BÄur, Der 
Rechtsstaat 1864. „BÄHRs Schrift ist heute vielleicht wertvoller als bei 
ihrem Erscheinen“ (S. 110. Demgemäß legt auch der Verfasser den 
Schwerpunkt des Begriffs in die Machtstellung der Gerichte. „Der Richter 
muß das Organ des Rechts sein. nicht das staatliche Organ für Benützung 
der Rechtsschablonen“ (S. 155). So kommt „die Bindung des Staates an 
sein Recht* zustande. Jedes Recht, auch das des Staates, gegen den Ein- 
zelnen, erhält seine „Verwirklichung“ erst durch Richterspruch (S. 140, 
175). Das ist allerdings BAHR und zwar noch übertrumpfter BiHnr. Daraus 
rechtfertigt es sich aber auch, daß der Verfasser es für notwendig gehalten 
hat, verhältnismäßig breitere Ausführungen der zeitentsprechenden Ge- 
staltung der Justiz zu widmen (S. 149ff.. Er kommt dabei zu allerlei 
Forderungen, die Namens des Rechtsstaates zu stellen sind: „Das Rich- 
tertum muß aus derAnwaltschaft hervorgehen‘ (S. 158). 
„Bezahlt die Richter wie es ihrer hohen Aufgabe ent- 
spricht. Gebtden Richtern die Möglichkeit,ihr Schreib- 
werkindas Stenogramm zu diktieren. gebtihnen Hilfs- 
kräfte und Schreibmaschinen‘“ ($S. 162). Die Berufungsgerichte 
sollen „Abschrift eines jeden Urteils“ an den deutschen Anwalts- 
verein zu senden haben (S. 163). Das Votum des Referenten ist den 
Anwälten „vorher (vor der Verhandlung) im Wege der Akteneinsicht be- 
kannt zu machen® (S. 165). Der Zusammenhang mit dem Revolutionsrecht 
wird hier allerdings nur ein sehr mittelbarer. 
Doch das sind Nebendinge. In der Hauptsache versteht man es schließ- 
lich recht wohl, wenn der Verfasser an einer Stelle ganz allgemein bittet: 
„alles als nicht neu anzusehen, da ich nur kompiliere“ (S. 141). Neu und 
ungewohnt, für uns schwerfällige Juristen wenigstens, ist nur die seltsam 
leichtbeschwingte Darstellungsweise. Schiller liefert dem Buch das Motto, 
Goethe so und so viele Sprüche. Auch für die Anordnung ist dieser vor-
	        
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