Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

236 — 
1. Irrtümliche Annahme einer Gebundenheit. Ob- 
gleich das Verfahren, so wie geschehen, eingeleitet und fortge- 
setzt, das Todesurteil gefällt und bestätigt werden durfte, so würde 
doch das ganze Verfahren an einem Rechtsmangel leiden, wenn 
der Gerichtsherr geglaubt hätte, er müsse das Verfahren ein- 
leiten oder das Urteil bestätigen, oder wenn das Gericht in dem 
Irrtum befangen gewesen wäre, es dürfe das Verfahren zwecks 
Ladung eines weiteren Verteidigers nicht aussetzen oder es habe 
nur die Wahl zwischen Verurteilung zum Tode oder Freisprechung. 
Daß ein solcher Rechtsirrtum vorlag, ist nicht erweislich. 
2. Vernachlässigung der zugunsten Fryatts spre- 
chenden Umstände. Fryatt wurde über ein Jahr nach dem 
mißglückten Rammversuch vor Gericht gestellt. Nach der Tat 
war er nach England zurückgekehrt und erst bei einer anderen 
Gelegenheit gefangen genommen worden. In solchen Fällen gewährt 
die Haager Landkriegsordnung von 1907 dem Spion und dem ent- 
wichenen Kriegsgefangenen Straffreiheit!?. Für kriegsverräterische 
Waffenhilfe gibt es eine ähnliche Bestimmung nicht. Ja, man wird 
nicht einmal behaupten können, daß das Gericht die geglückte 
Heimkehr Fryatts auch nur bei der Strafzumessung hätte berück- 
sichtigen müssen, Man nehme einmal an, Fryatt wäre die Ram- 
mung geglückt, und sofort leuchtet ein, daß die Heimkehr Fryatts 
kein Strafminderungsgrund war. Für den Versuch gelten aber 
hier keine anderen Bestimmungen als für die Vollendung. 
3. Berücksichtigung unsachlicher Gesichtspunkte. 
Der Gerichtsherr und das Gericht durften sich bei ihren Ent- 
schließungen nicht von Gesichtspunkten leiten lassen, die mit der 
Kriegführung und der Strafrechtspfiege in keinem Zusammenhange 
1? Art. 31: „Ein Spion, welcher zu dem Heere, dem er angehört, zu- 
rückgekehrt ist und später vom Feinde gefangen genommen wird, 
kann für früher begangene Spionage nicht verantwortlich gemacht werden.“ “ 
— Art. 8 Abs. 8: „Kriegsgefangene, die nach geiungener Flucht von neuem 
gefangen genommen werden, können für die frühere Flucht nicht bestraft 
werden.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.