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Polizei für die Gemeinden um einen übertragenen Wirkungskreis
handle, abgelehnt worden !?.
Wie aus dem Gesagten hervorgeht, hatte Württemberg seine
polizeistaatliche Periode, wofern man die kurze Zeit von 1806
bis 1819 als solche bezeichnen will, jedenfalls mit Einführung der
Verfassung auch schon wieder überwunden. Von Preußen konnte
man dies keineswegs sagen. Dort hat nach Einführung der Ver-
fassung erst langsam eine Verwaltungsgesetzgebung eingesetzt, die
einen allmählichen Abbau des Polizeistaats und den Uebergang zum
Rechtsstaat herbeiführte. Dieser Prozeß wird in Preußen haupt-
sächlich durch die Ausbildung zweier großer Errungenschaften ge-
kennzeichnet: die Selbstverwaltung und die Verwaltungsgerichts-
barkeit. Nach dem Stand dieser beiden Einrichtungen wird jetzt
vielfach die größere oder geringere Fortschrittlichkeit eines Staats
in der Ausgestaltung seiner Staatsgewalt bemessen. Was ist in
dieser Beziehung von Württemberg zu sagen? Es steht mit Aus-
bildung der genannten Einrichtungen allerdings bei weitem nicht
an der Spitze. Aber es muß gleich hinzugefügt werden, daß dies
nicht unbedingt einen Mangel bedeutet; eben weil jene Einrich-
tungen Errungenschaften im Kampf gegen obrigkeitliches, polizei-
staatliches Regieren waren, deshalb brauchte ein Land weniger auf
sie Wert zu legen, in dem solches Regieren nur in geringerem Grad
zu verzeichnen gewesen war.
Was zunächst die Selbstverwaltung betrifft, so ist ın
Württemberg, ohne daß hier das Wort sehr geläufig gewesen wäre,
12 Vgl. württ. Gem.-Ordnung von 1906 Art. 8: den Gemeinden liegt
ob: „die Verwaltung des Gemeindevermögens, die Pflege der gemein-
schaftlichen Interessen der Gemeindeangehörigen und die Ortspolizei‘. —
Allerdings unterliegt die Handhabung der letzteren einem weitergehenden
Aufsichtsrecht des Staats als die sonstige Gemeindeverwaltung, Art. 194. —
Zur Entwicklungsgeschichte des deutschen Polizeigedankens vgl. jetzt
namentlich WOLZENDORFF, Der Polizeigedanke des modernen Staats 1918,
der aber die Besonderheiten der württ. u. überhaupt der süddeutschen
Ausgestaltung zu wenig berücksichtigt.