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zum Austrag kommen muß, und der Vertreter Indiens hat sogleich
das praktische Beispiel dazu gegeben, indem er — selbst ein Hindu —
die Solidarität Indiens mit der mohammedanischen Welt betonte und
für die Indier, die in den Dominions wohnen, gleiches Bürgerrecht
mit den Weißen forderte. Ich hoffe über die Ergebnisse der Konferenz,
an diesen Erwartungen gemessen, im nächsten Hefte berichten zu können.
Anhang: Die neue indische Verfassung in der
Praxis.
Ein Urteil über die Bewährung der Duarchie wäre verfrüht, aber
eine Reihe wichtiger Daten liegen doch schon vor.
Das System der zweigeteilten Regierung (Transferred services
unter einem dem Provinzparlament verantwortlichen Kabinett, reserved
services unter dem Gouverneur als Vertreter der englischen Herrschaft),
wie es die Government of India Act 1919 nach dem Curtisschen
Plan zunächst für die politisch entwickelten Teile Indiens vorsieht, ist
in acht Provinzen in Kraft getreten, nämlich in Bengalen, Madras,
den „Vereinigten Provinzen“, dem Punjab, den Zentralprovinzen, Bihar
und Orissa und Assam. In diesen acht Provinzen haben im November
und Dezember 1920 die Wahlen zu den Parlamenten stattgefunden,
wobei in den United Provinces mit einer Wählerschaft von 1347 922
Köpfen etwas mehr als 25 % gewählt haben sollen; teils ist die geringe
Beteiligung aus der passiven Resistenzparole Gandhis, teils aus der
großen Zahl unbestrittener Kandidaturen zu erklären (keine Verhältnis-
wahl). In England erklärt man sich mit der Wahlbeteiligung zufrieden.
In allen acht Provinzen sind auch die Präsidenten der gesetzgebenden
Körperschaften ernannt (in Bengal, Madras und den Zentralprovinzen
Indier, in den anderen Provinzen Engländer) und die Minister von den
Gouverneuren aus der Zahl der Gewählten auserlesen worden. Diese
Minister, für die größeren Provinzen drei, sonst zwei, sind durchweg
Indier, darunter Surendraneth Bannerji, der bekannte Führer der ge-
mäßigten Reformer in Bengalen, Chintamani, der Herausgeber des
Allahabad Leader in den Vereinigten Provinzen und Lala Harkinshen
Lal in Punjab. Wo sich Parteien für die Wahl gebildet hatten, wie
z. B. in Madras (Brahminenpartei, Gerechtigkeitspartei der Nicht-
brabminen), entnehmen die Gouverneure die Minister der Mehrheits-
partei allein, entgegen den Erwartungen in Indien, die offenbar auf
die Bildung von Ministerien der Tüchtigsten gerichtet waren.
Ebenso ist das indische Gesamtparlament in Tätigkeit getreten