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Der Vorgang der Regierungsbildung bietet in jedem Staat
ein völlig anderes Bild; nach den Grundprinzipien, die dabei zu-
tage treten, kann man vier Haupttypen bzw. vier Hauptsysteme
unterscheiden.
Der „echte“ Parlamentarismus.
Das parlamentarische System in seiner echten Form, das drei
Faktoren, Staatsoberhaupt, Volksvertretung und Volk, an der
Regierungsbildung beteiligt, sehen wir in England verwirklicht.
Der Grundgedanke des Systems ist der, daß zwischen Regierung
und Parlament ein Gleichgewichtszustand bestehen soll. Die
Regierungsbildung ist in diesem System der Regulator, durch den
das Gleichgewichtsverhältnis immer wieder hergestellt wird. Das
Staatsoberhaupt hat die Funktion, diese Maschine in Gang zu
setzen, die Volksvertretung weist den Weg, der dabei einzuschlagen
ist; das Volk selbst ist oberstes Kontrollorgan, seiner Entschei-
dung müssen sich die beiden anderen Faktoren fügen. Dieses
System hat sich in England in jahrhundertelanger Entwicklung
herausgebildet, es ist noch nicht lückenlos verwirklicht, die Kritik
findet manchen Angriffspunkt unter den heutigen Verhältnissen,
aber die grundsätzlichen Vorbedingungen für die Verwirklichung
dieses Systems in seiner reinen Form sind in England zweifellos
gegeben.
Der „unechte“ Parlamentarismus.
Ein anderes System sehen wir gegenwärtig in der französi-
schen Republik verwirklicht. Hier wollte man das englische
System nachahmen, aber dieser Versuch scheiterte zum Teil an
der geschichtlichen Entwicklung, andernteils an der, von der eng-
lischen völlig abweichenden, psychologischen Beschaffenheit des
französischen Volkscharakters. Die Verfassung wollte auch hier
die drei oben erwähnten Faktoren an der Regierungsbildung be-
teiligen, aber die Verteilung der Funktionen wurde im Laufe der
Entwicklung eine ganz andere wie in England. Die Volksver-