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Das Deutsche Reich sah sich nach der Revolution des Jahres
1918 genötigt, sich für ein neues System der Regierungsbildung
zu entscheiden; vor die gleiche Frage sahen sich die Bundes-
staaten gestellt. Vier verschiedene Systeme hatte man seit Jahren
in außerdeutschen Staaten in Wirksamkeit gesehen, nun sollte
man sich für den eigenen Staat für eine dieser Formen entscheiden.
In welcher Weise diese Frage gelöst wurde, das zu zeigen, ist
die Aufgabe der nachstehenden Betrachtung.
Das Deutsche Reich.
Einleitung.
Eine Betrachtung, die sich mit der Regierungsbildung im
Deutschen Reich, wie sie sich nach den Vorschriften der Ver-
fassung vom 11. August 1919 vollziehen soll, beschäftigt, steht
einem schwierigen Problem gegenüber. Die neue Verfassung ist
noch zu jung, als daß man ein endgültiges Urteil über die darin
enthaltenen Vorschriften fällen könnte. Es fehlt die Praxis, es
fehlen die Traditionen, die das Rahmenwerk ergänzen; das ganze
Werk ist noch zu kurz in Tätigkeit um beurteilen zu können,
wie es sich noch ausgestalten wird. Die wichtigsten Vorschriften
sind noch nicht in den Einzelheiten ausgebaut, zum großen Teil
noch gar nicht zur Anwendung gekommen. Es kann sich infolge-
dessen bei der folgenden Betrachtung im Wesentlichen nur um
ein Aufdecken der Grundprinzipien und um eine Beobachtung des
Entstehens der Vorschriften über die Regierungsbildung handeln.
Das Problem des parlamentarischen Systems
inder Republik.
Die Schöpfer der Verfassung von 1919 haben sich an das
gleiehe Problem herangewagt, an dessen Lösung Frankreich ge-
scheitert ist: die Verbindung der republikanischen Verfassungs-
form mit dem parlamentarischen System. Frankreich ist bei diesem
Versuch zu einem unechten Parlamentarismus gelangt, weil die