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in Frage, ob vor dem Thronanfall ein Verzicht auf die Nach-
folge durch schlüssige Handlungen erfolgen kann. Daß ein sog.
Thronanwartschaftsverzicht überhaupt möglich ist, wird von der
herrschenden Meinung angenommen (gegen BINDING, Thronfolge
der Kognaten in Luxenburg S. 20); aber auch von diesem Stand-
punkt aus verneint ABRAHAM a. a. OÖ. S. 104 den stillschweigen-
den Thronanwartschaftsverzicht, weil der Thronfolger keine
Pflichten gegen sein Vaterland habe. Diese Art der Begründung
ist jedenfalls verfehlt; denn die Pflicht, sein Vaterland nicht mit
einem feindlichen Heere zu bekämpfen, hat sicherlich auch der
Thronfolger. Aber daß der Verziehtswille aus solcher Handlung
bei einem Thronfolger zu entnehmen sei, kann allerdings nicht
allgemein gesagt werden, da der Thron ja gerade der erstrebte
Siegespreis sein kann (TRIEPEL). — Diese theoretischen Unter-
suchungen können freilich nur dann Wert gewinnen, wenn ver-
fassungsmäßig eine Stelle vorhanden ist, die darüber zu entschei-
den hat, ob in bestimmten Tatsachen ein stillschweigender Ver-
zicht zu finden ist. Eine solche Stelle hat aber meistens gefehlt.
In der Tat liegt jedoch in allen den Fällen, in welchen von
einem stillschweigend erklärten Thronverzicht gesprochen wird,
dem Wesen der Sache nach gar nicht ein auf dem Willen des
Berechtigten beruhender Erfolg vor, sondern ein von Rechts wegen
als Folge einer bestimmten Handlung ohne Rücksicht auf den
wirklichen Willen des Handelnden eintretender Rechtsverlust, eine
Reehtsverwirkung; dies wird besonders von ABRAHAM a. a. 0.
dargelegt. Die Regierung in Koburg-Gotha sollte offenbar dem
Herzog bei Erlangung eines auswärtigen Thrones verlustig gehen,
mochte er wollen oder nicht. Entsprechendes gilt für die anderen
Fälle des sog. stillschweigenden Thronverzichtes, sowohl die gesetz-
lich festgelegten wie die von der Rechtswissenschaft aufgestellten.
Dem monarchischen Staatsrecht erschien der Gedanke schwer
faßbar, daß ein Fürst durch eine Pflichtwidrigkeit gegen sein
Land den Thron verwirken könne. Da aber dieser Grundsatz sich