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Voraussetzung für das parlamentarische System, der Gleichgewichts-
zustand zwischen vollziehender und gesetzgebender Gewalt, durch
die Verfassung nicht gewährleistet war. Die Frage ist nun, hat
man in Deutschland diesen Fehler zu vermeiden gewußt; gewähr-
leisten die Vorschriften der Verfassung, daß das System sich in
seiner echten Form, die wir in England verwirklicht sahen, auch
in dem republikanischen Deutschland verwirklichen wird? Die
Praxis kann auf diese Frage noch keine Antwort geben, die
Theorie kann nur feststellen, ob die notwendigen Voraussetzungen
für die Verwirklichung des echten Parlamentarismus vorhanden
sind. Für diese Feststellung ist es von Vorteil, die Entstehung
der einschlägigen Verfassungsvorschriften zu verfolgen.
Die Entstehung der Reichsverfassung.
Eine Schilderung der Vorgänge im November 1918 geht über
den Rahmen dieser Betrachtung hinaus. Die Ereignisse sind für
uns erst von Interesse mit dem Augenblick, als die Revolution
sich zu legalisieren beginnt, d. h. mit dem Zusammentritt der
Nationalversammlung in Weimar am 6. Februar 1919. Damit
war der Weg beschritten, auf dem man wieder zu legalen Zu-
ständen gelangen konnte!.
Das Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt.
In der 3. Sitzung der Nationalversammlung am 8. Februar
1919 trat man sofort in die Beratung des Gesetzentwurfs über
die vorläufige Reichsgewalt ein. Dieses Gesetz stellte eine Art
Notverfassung für das Deutsche Reich dar und bedeutet ein
Zwischenstadium in der Entwicklung, das hier eines Blicks ge-
würdigt werden muß °.
1 An diesem Tage erklärte der Volksbeauftragte Ebert: „die provi-
sorische Regierung verdankt ihr Mandat der Revolution, sie wird es in
die Hände der Nationalversammlung zurücklegen“ und weiter: „die Reichs-
regierung begrüßt in dieser Nationalversammlung den höchsten und einzigen
Souverän in Deutschland.“
2 Der Gesetzentwurf datierte vom 1. Februar 1919 und bestimmte über
die Gestaltung der vollziehenden Gewalt folgendes: