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Eine positivrechtliche Regelung ist hier un-
umgänglich notwendig, sollen nicht schon auf Grund der
Rechtsanschauung einzelner Gerichte, sei es für oder sei es gegen
die Prüfungsbefugnis, sich u. U. weittragende Folgen ergeben.
Dem Reichsgesetzgeber war die Bedeutung der Frage wohlbe-
kannt, es ist im Verfassungsausschuß darüber des langen und
breiten verhandelt worden '’, das Resultat war aber — ein Nichts.
Denn ein Nichts, oder vielmehr mehr wie das, einen Schaden,
bedeutet bei der Zerrissenheit der Literatur jenes Schweigen der
Reichsverfassung, der nun in diesem Punkte auch die neue preu-
Gische Verfassung gefolgt ist.
Da also die jetzigen Verfassungen des Reichs und Preußens
keine Regelung der Prüfung der Gesetze enthalten, treten
die allgemeinrechtlich gültigen Sätze ein, welche je nach dem
eingenommenen Standpunkte in der Theorie äußerst verschieden
sind. Es ist hier nicht Raum genug, sie auch nur aufzuzählen,
geschweige denn ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit zu entscheiden.
Es erübrigt sich das auch, weil eine genaue systematische Zu-
sammenstellung und Kritik in meiner Schrift erfolgt ist, in welcher
auch die allgemeinrechtlichen Sätze genau ausgeführt sind. Diese
ist daher nicht eigentlich veraltet. Soweit sie Erörterungen über
das positive Recht des Reichs und Preußens enthält, sind diese
einfach in den historischen Teil zu verweisen, für das jetzt gel-
tende Recht sind dann die — die Hauptsache ausmachenden —
allgemeinrechtlichen-dogmatischen Ausführungen
heranzuziehen. Aus ihnen ergibt sich — mangels jeglicher positiv-
rechtlicher Bestimmungen — ohne weiteres die Entscheidung, wie
Rücksicht auf Art. 105 RV. Bedenken entstanden sind. Das RG. hat aus-
drücklich hierbei in seiner E. v. 9. März 1920 (W. 111/20) seine Prüfungs-
befugnis festgestellt; ferner zahlreiche Beispiele ungültiger Verordnungen
(mangels richtiger Delegation) bei JAKOBI im ArchÖfR. 39 S. 273 £t. (wozu
ARNDT in Lpz. Z. 1920 8. 617).
ı3 S, die Verhandlungen des Verfassungsausschusses v. 31. Mai und
6. Juni 1919. Protok. der 39. Sitzung 8. 61 ff.