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schon das Staatsministerium prüft. Die Worte „verfassungsmäßig zustande-
gekommen“ in Art. 61 sind zu streichen. (Daß übrigens weder die Prüfung
des publizierenden Organs [hier des Staatsministeriums], noch die Publi-
kation selber an und für sich die richterliche Prüfung ausschließt, s. m.
Schrift 202 ff., 172 ff.)
27 Beispiele aus gegenwärtiger Zeit, wo die Prüfung der Gesetze eintreten
könnte, falls man sie [unrichtigerweise] bejaht: Prüfung der Frage, ob die
Gesetze und Beschlüsse der Nationalversammlung unzulässigerweise in das Zu-
ständigkeitsgebiet der einzelnen Freistaaten eingegriffen haben; Prüfung
der Rechtmäßigkeit des $ 46 des Gesetzes über die Reichsfinanzverwaltung
(vgl. hierzu KAUFMANN in JW. 1919 S. 901 ff. (welcher bei diesem Anlasse
die Prüfung bejaht) und TrıEPEL a. a. O. 465); Prüfung der Rechtmäßig-
keit des Art. 18 RV. (seine Rechtmäßigkeit wird z. B. von NAWIASKY in
AnnDR. 1919 S. 23 ff. verneint). Weitere Beispiele bei ARNDT a. a. O. 106
und TRIEPEL a. a. O. Nach unserer Ansicht wäre lediglich zu prüfen, ob
tatsächlich der richtige Gesetzgeber die Bestimmungen erlassen hat. Wenn
dies der Fall ist, wären sie ohne weiteres anzuwenden. Wie ungeheuer
groß die Aufgabe des Richters bei der Befugnis (und Pflicht), die Gültig-
keitsmomente zu prüfen, gegebenenfalls wäre, läßt sich schon aus dem
o. zit. Aufsatz TRIEPELs nur über den Weg der Gesetzgebung erkennen.
23 GOHN im Gruchot 1919 S. 510 ff. hat mir gegenüber eingewandt,
daß ich den Begriff des Rechts verkenne. Allein Recht für den Richter
wie für jeden Untertan ist nur, was die oberste Gewalt im Staate als
„Recht“ statuieıt hat. Man müßte sonst ein Naturrecht annehmen, das
aber selbst nach der Meinung der neuesten Naturrechtler kein positives,
d.i. für den Richter geltendes Recht darstellt. Ferner ist in den deutschen
Staaten die oberste Gewalt der einfache Gesetzgeber, auch im neuen
Recht (nicht wie z. B. in Nordamerika ein besonderer Verfassungsgesetz-
geber), seine Anordnungen sind daher unbedingt zu befolgen, auch wenn
sie verfassungswidrig sind. Es folgt das nicht aus bloßen „Begriffen“ wie
CoHNn meint, sondern aus dem Rechtssatz des Unterworfenseins unter das
Gesetz. Ganz richtig macht Somuö, Jur. Grundlehre (1917) 166 ff. darauf
aufmerksam, daß auch widerrechtlich entstandene Normen „Rechtsnormen“
sein können. Vgl. ferner Tezwe&k in GrünhZ. 42 (1916) S. 557 sowie
JELLINEK, A.Stl. (3) 473/74, 538. — (Des weiteren wirft Conn eine Ver-
kennung der Tatsache vor, daß im vorrevolutionären deutschen Staat
das Gesetz ein Befehl des Monarchen sei. Allein wie aus dem historischen
Teil hervorgeht, habe ich das niemals verkannt. Ich habe mich nur
gegen eine Unterschätzung der Stellung der Volksvertretung gewandt (vgl. o.
die Anm. 18). $. hierzu auch neuerdings SOML6 a. a. O. 349 Anm. 3 und
TRIEPEL a. a. OÖ. 473).