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Diese Gegensätze seien im weiten Deutschen Reich bedeutend
schärfer als in der kleinen Schweiz. Außerdem sei bei den zahl-
und umfangreichen Ressorts die persönliche Eignung nicht außer
Acht zu lassen. Ganz abgesehen von allen diesen Punkten sei
die Verkörperung der staatlichen Einheit in einer Person, dem
Staatsoberhaupte, für das deutsche Volk auch nach innen eine
Notwendigkeit, da der Uebergang von der Monarchie zur Republik
noch zu neu sei, als daß das Volksempfinden sich daran hätte
gewöhnen können, den Staat in einem Kollegium verkörpert zu
sehen. Auch sei bei den scharfen Parteigegensätzen und dem
schwankenden Stärkeverhältnis der Parteien an keine Stabilität
der Regierung zu denken, die auch nur im Entferntesten der
Schweiz gleichkommen könne. Die Verhältnisse in Deutschland
sind von Grund aus andere als in der Schweiz. Das Schweizer
Kollegialsystem wurde in der Tat, wie oben erwähnt, schon bei
der Beratung des Gesetzes über die vorläufige Reichsgewalt von
der Nationalversammlung abgelehnt.
Die Wahldes Reichspräsidenten.
Man hatte sich schon in diesem Gesetz dafür entschieden,
daß an der Spitze des Deutschen Reiches ein Reichspräsident
stehen solle. Da dieses Gesetz aber nur ein Provisorium ge-
schaffen hatte, stand die Frage noch zur Diskussion, wie der
Reichspräsident gewählt werden solle. Das Ausland bot in Frank-
reich und den Vereinigten Staaten zwei Vorbilder, die grundver-
schiedene Möglichkeiten darstellten. Gegen das System der Ver-
einigten Staaten sprachen zwei Gründe: einmal, daß dieses System
mit seinen zahlreichen Mißständen in den Vereinigten Staaten
selbst sich mehr und mehr als unzulänglich erweist, außerdem
aber auch, daß dieses System eine Rückkehr zu den früheren
Verhältnissen im Deutschen Reich, nur in der Form der Republik
an Stelle der Monarchie, gleichgekommen wäre. PREUSS lehnt aus
diesen Gründen das amerikanische System für Deutschland ab.